Klassische Kompaktkameras

Jeder kann sich noch an die superkompakten Digitalkameras erinnern, die ab etwa 2005 auch mit guter Leistung faszinierten. Heutzutage wuden diese Modelle beinahe völlig vom Handy abgelöst.

Analoge Kameras, die wirklich kompakt sind, die gibt es auch. Jemand, der sich ein wenig mit Kameras auskennt, dem fallen dazu vermutlich in erster Linie die Minox 35 und die Rollei 35 ein – doch es gibt viel mehr – und sie liegen seit einigen Jahren voll im Trend. So sehr, dass bisweilen unglaubliche Preise gezahlt werden für einzelne Modelle, die entweder einen extrem guten Marken-Ruf haben (z.B. eine Leica Minilux) oder von Celebrities gehyped wurden (z.B. die Contax T- oder die Yashica T-Reihe). Versuchen erst gar nicht, eine von diesen Kameras zu finden. Die Preise sind fern von „Gut und Böse“.


In diesem Artikel möchte ich eine kleine Übersicht bieten über kompakte Analog-Kameras aus meiner Sammlung. Vier Kriterien mussten sie erfüllen, um in die Liste aufgenommen zu werden: sie nutzen 35mm-Film, sie sind gut, sie sind wirklich kompakt und sie sind halbwegs bezahlbar.

Beginnen möchte ich mit kurzen Vorstellungen der einzelnen Modelle, nach Ähnlichkeit sortiert. Ich bewerte dabei – höchst subjektiv! – nach diversen Gesichtspunkten und schließe mit einem zwangsläufig ebenso subjektivem Ranking ab.

Die Kriterien:

  • „Qualität/Haptik“ beschreibt die Fertigungsqualität, das Material der Kamera. Wie fasst sie sich an? Was ist nach jahrzehntelangem Gebrauch noch an Zuverlässigkeit zu erwarten?
  • „Objektiv“ bezieht sich auf die Abbildungsleistung (Schärfe, Verzeichnung, Vignettierung etc.) und die Lichtstärke (wie weit öffnet die Blende?).
  • „Ausstattung/Features“ bewertet was die Kamera mitbringt: welche Belichtungsmethoden – wenn überhaupt – werden geboten? Gibt es Automatiken und lässt sie sich manuell bedienen? Wie wird fokussiert? Wie ist die ISO-Einstellung geregelt? …
  • „Flexibilität/Vielseitigkeit“ ist im Grunde eine Konsequenz aus der Baugröße, der Objektivqualität und der Ausstattung der Kamera. Was kann ich alles damit machen?
  • Der „Coolness“-Faktor (nur max. 5 Punkte, weil höchst subjektiv) beschreibt zum einen wie es sich anfühlt, damit zu fotografieren. Nimmt man die Kamera gerne mit? Wird man eventuell sogar darauf angesprochen?

Minox 35 GL

Die Kamera, die 1974 diesen besonderen Typ in die Welt gebracht hat. Sie machte der Rollei 35 den Titel der „kleinsten Kleinbildkamera“ streitig, da sie nochmals kompakter war. Die GL-Version galt dann auch als zuverlässig (im Vergleich zu den früheren Modellen). Die Minox hat ein recht gutes vierlinsiges Objektiv (Tessar-Typ), das aber nicht an die Qualität des Fünflinsers der Rollei 35 S heranreicht. Sie hat eine Belichtungsautomatik mit Blendenvorwahl. Manuelle Einstellungen sind nicht vorgesehen. Lediglich die Blitzsynchronzeit kann fest vorgewählt werden. Die nicht mehr erhältliche Batterie PX27 kann durch zwei CR 1/3N Batterien ersetzt werden, muss aber ein bisschen basteln. Das gibt etwas Abzug.

Qualität/Haptik: 7/10
Objektiv: 6/10
Ausstattung/Features: 6/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 6/10
“Coolness“: 4/5

Ricoh FF-1

Im Jahr 1978 kam diese Kamera, die überdeutlich Anleihe beim Design der Minox nimmt, auf den Markt. Sie fühlt sich etwas weniger nach Plastik an, ist aber sonst der Minox sehr ähnlich – allerdings durch ihren niedrigeren Bekanntheitsgrad nicht der gleiche „conversation starter“. Die kleine Ricoh bietet zusätzlich zur Blendenvorwahl eine Vollautomatik an.

Qualität/Haptik: 8/10
Objektiv: 6/10
Ausstattung/Features: 7/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 6/10
“Coolness“: 3/5

Voigtländer Vito CS

Auch diese im Jahr 1982 auf den Markt gebrachte Kamera sieht aus wie eine Schwester der beiden oben genannten. Sie hat ein 38mm statt eines 35mm Objektivs, vielleicht aber ist diese Angabe einfach nur exakter. Außerdem bietet sie eine Programmautomatik statt einer Blendenvorwahl und richtet sich – ohne jegliche manuelle Steuerung – in erster Linie an Einsteiger oder Schnappschuss-Momente.

Qualität/Haptik: 7/10
Objektiv: 6/10
Ausstattung/Features: 5/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 5/10
“Coolness“: 3/5

Rollei 35 S

Ab 1962 von Heinz Waaske entwickelt und ab 1966 von Rollei vertrieben, galt die 35 bei ihrer Einführung als die kleinste Kleinbildkamera der Welt. Die 35 S zeichnet sich durch ein sehr leistungsstarkes Sonnar-Objektiv (Fünflinser), eine hohe Zuverlässigkeit sowie eine flexible manuelle Steuerung aus. Es gibt einen Belichtungsmesser mit Nachführmessung, aber weder eine Belichtungsautomatik noch eine Entfernungsmessung. Dieses Exemplar wurde mir von meinem Schwiegervater geschenkt, der damit durch die halbe Welt und 4 Kontinente gereist ist. Die kleine Rollei hat daher einiges mitgemacht, funktioniert aber noch immer.

Qualität/Haptik: 9/10
Objektiv: 8/10
Ausstattung/Features: 7/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 8/10
“Coolness“: 5/5

Rollei B 35

Ab 1969 war dieses Einsteigermodell im Handel erhältlich. Das lichtschwächere Objektiv ist ein Dreilinser, der deutlich hinter der Leistung des Sonnars zurücksteht, aber dennoch für gute Fotos sorgen kann. Es gibt ebenfalls einen Belichtungsmesser aber ebenso weder eine Automatik noch einen Entfernungsmesser. Rollei 35 Fotografen müssen die Entfernung schätzen lernen. Die Bedienung der B 35 unterscheidet sich durch andere Bedienräder von der der 35 S.

Qualität/Haptik: 8/10
Objektiv: 5/10
Ausstattung/Features: 7/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 6/10
“Coolness“: 3/5

Leica Mini

Erhältlich zwischen 1988 und 1993 bietet die „Mini“ als damals preisgünstigste Leica ein überraschend gutes aber nicht sonderlich lichtstarkes vierlinsiges Objektiv und eine Programmautomatik mit mittenbetont integraler Belichtungsmessung und treffsicherem Autofokus. Als echte Schnappschusskamera taugt sie eher für Alltagsdokumentationsfotos in guter Qualität als zur anspruchsvollen Fotografie. Doch das, was sie kann, kann sie sehr gut.

Qualität/Haptik: 7/10
Objektiv: 6/10
Ausstattung/Features: 6/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 6/10
“Coolness“: 3/5

Minolta Freedom Escort

Erhältlich ab 1991 kann die Freedom Escort ihre Ähnlichkeit mit der Leica Mini (oder eher mit der Leica Mini II) nicht verleugnen. Da Minolta und Leica in Phasen intensiv kooperierten, ist auch von einer direkten Verwandtschaft auszugehen. Das Objektiv ist allerdings nicht exakt das gleiche, in der Minolta werkelt ein 3.5/34, das dem Elmar 3.5/35 der Leica Mini aber in nichts nachsteht.
(Der „Leitz“-Aufkleber ist nicht üblich, sondern wurde wohl vom Vorbesitzer dort befestigt, um ebendiese Verwandtschaft auch nach außen hin zu verdeutlichen.)

Qualität/Haptik: 7/10
Objektiv: 6/10
Ausstattung/Features: 6/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 6/10
“Coolness“: 2/5

Konica A4

Im Jahr 1989 kam die Konica A4 auf den Markt. Die meisten Leser werden noch nie von dieser Kamera gehört haben, vermutlich aber von dem fast völlig baugleichen (nur etwas anders designten) Modell „Big Mini“, das einen regelrechten Hype erfahren hat. Die A4 ist ebenso gut und kann genau das, was die Big Mini kann, nur für einen Bruchteil des Gebrauchtpreises. Das vierlinsige 3.5/35 Konica-Objektiv ist meines Erachten nochmals besser als das in der Leica Mini und die Bauqualität der Konica ist ebenfalls besser. In meinen Augen ein echter Geheimtipp mit Programmautomatik und gutem AF.

Qualität/Haptik: 8/10
Objektiv: 7/10
Ausstattung/Features: 6/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 6/10
“Coolness“: 4/5

Olympus PEN

Yashihisa Maitani San, unter Kamerahistorikern ein Name wie ein Donnerhall, nur vergleichbar mit einem Oskar Barnack, hatte sich Ende der 1950er zur Aufgabe gemacht, eine Kamera zu entwickeln, die sehr gute Fotos machte, kompakt war und dennoch bezahlbar. Das Ergebnis kam 1959 auf den Markt – die PEN. Diese kleine, hervorragend verarbeitete Kamera nutzt das „Halbformat“: sie fotografiert auf Kleinbildfilm, nutzt aber nur die Hälfte der Fläche eines 35-Frames, also hochkant 18x24cm statt 36x24cm quer. Daher auch das hochkant stehende Sucherfenster. Das Objektiv ist sehr, sehr gut, wenn auch nicht sonderlich Lichtstark und eben „nur“ für‘s Halbformat gerechnet. Die Kamera wird komplett manuell gesteuert und bringt weder Belichtungsmessung, noch Entfernungsmesser mit. Allerdings könnte sich die Idee des Halbformats bei den derzeitigen Filmkosten tatsächlich irgendwann auszahlen, man bekommt ja 72 Bilder auf einen „36er“ Film.

Qualität/Haptik: 9/10
Objektiv: 7/10
Ausstattung/Features: 4/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 6/10
“Coolness“: 4/5

Olympus XA

Ein weiterer Geniestreich von Yoshihisa Maitani San kam 1979 auf den Markt: die Olympus XA. Diese kleine (allerdings schon bei Vermarktung hochpreisige) Kamera liegt in der Baugröße zwischen der Rollei 35 und der Minox 35, bietet aber ein hervorragendes Objektiv (das als Sechslinser sogar das Sonnar der Rollei 35 hinter sich lässt), eine manuelle Blendenvorwahl mit sehr guter Zeitautomatik und sogar einen Messsucher. So wie die Fuji 690 eine Leica im Riesenformat ist, so ist die XA im Grunde eine Leica im Miniformat. Das Clamshell-System sorgt zudem dafür, dass sie ihr eigenes Schutzgehäuse mitbringt. Es gibt kaum etwas, das diese Kamera nicht möglich macht. Eine Kompaktkamera, die m.E. dem Hype um sie gerecht wird.

Qualität/Haptik: 8/10
Objektiv: 8/10
Ausstattung/Features: 9/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 9/10
“Coolness“: 5/5

Olympus mju-1

1991 brachte Olympus die „mju“ auf den Markt und bewies damit erneut, dass sie Form und Funktion sowohl neu denken als auch ausgezeichnet vereinen können. Wenn man die kleine Kamera in die Hand nimmt, kommt einem schnell der Begriff „Handschmeichler“ in den Sinn. Das Objektiv ist sehr gut, bietet aber „nur“ eine Lichtstärke von f/3.5. Auf manuelle Steuerung muss man leider verzichten: die Kamera funktioniert im Vollautomatikmodus (Belichtung und Fokus).
In den letzten Jahren war die mju-1 Teil des Internet-Hypes um hochwertige Kompaktkameras.

Qualität/Haptik: 8/10
Objektiv: 7/10
Ausstattung/Features: 6/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 6/10
“Coolness“: 3/5

Chinon Belami AF

So ganz passt diese Kamera nicht in diese Reihe. Denn sie ist merkbar größer als die anderen und wirkt nicht wirklich so wertig wie die meisten aus dieser Liste. Das Objektiv ist das lichtschwächste und – wenn auch durchaus brauchbar – nicht das beste dieser Sammlung. Während die Chinon Bellami (mit zwei „L“ in der Mitte) sehr an eine Minox 35 erinnert, ist die Belami AF eher eine typische 80er-Jahre „Knipse“ mit „Auto-allem“, was damals wohl als Marketing-Coup galt. Der AF wirkt für mich ganz ehrlich mehr wie eine Fixfokus. Das zur Seite wegklappende „Tor“ vor dem Objektiv schützt und ist eine neckische Lösung. Man kann gute Fotos mit der Kamera machen, doch man hat keinerlei manuelle Steuerungsmöglichkeiten. Dafür ist die Kamera, wenn man sie denn findet, im Vergleich zu den anderen hier unschlagbar günstig.

Qualität/Haptik: 6/10
Objektiv: 5/10
Ausstattung/Features: 3/10
Flexibilität/Vielseitigkeit: 5/10
“Coolness“: 1/5

Hier nun das finale Ranking:

1. Olympus XA (39 Punkte = 1- in Schulnoten)
2. Rollei 35 S (37 Punkte = 2+)
3. Konica A4 (31 Punkte = 2-)
4. Olympus mju-1 (30 Punkte = 2-)
4. Ricoh FF-1 (30 Puntke = 2-)
4. Olympus PEN (30 Punkte = 2-)
7. Minox GL (29 Punkte = 2-)
7. Rollei B35 (29 Punkte = 2-)
9. Leica Mini (28 Punkte = 3+)
10. Minolta Freedom Escort (27 Punkte = 3+)
11. Voigtländer Vito CS (26 Punkte = 3+)
12. Chinon Belami AF (20 Punkte = 3-)