Germany vs Canada vs Russia vs China

Heute möchte ich ein bisschen über ein paar 50er Objektive schreiben, die an einer Leica verwendet werden können und die kein Vermögen kosten.

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(v.l.n.r.) Leitz Wetzlar Varob 3.5/5cm, FED 3.5/50, Jupiter-8 2/50, Leitz Summitar 2/5cm, Leica Summiron-M 2/50 (IV), 7artisans 1.1/50 und Leica Macro-Elmarit-R 2.8/60. Das Varob ist eigentlich ein Vergrößerungsobjektiv, entspricht aber exakt dem klassischen Elmar 3.5/50 und das Macro-Elmarit ist ein R-Objektiv, dass man nicht so einfach an einer M nutzen kann, dass ich aber als Vergleichs- oder Referenz-Objektiv miteinbezogen habe.

Fotografiert habe ich damit nicht an einer Leica M, sondern an einer Sony A7II, damit ich auch alle Objektive – also auch den Elmar-Ersatz Varob und das Macro-Elmarit – nutzen konnte. Ja, die Sony reagiert etwas anders auf Messsucherobjektive als eine Leica M, doch bei 50ern ist das nicht so maßgeblich. Bei Weitwinkelobjektiven wäre ein Vergleich an einer Sony nicht wirklich aussagekräftig, da die Ecken zu sehr leiden können.

Zu den Beispielaufnahmen: Fotografiert habe ich bei Offenblende, bei Blende f/4 und Blende f/8. Beim 7artisans habe ich mit f/1.1, f/2, f/4 und f/8 fotografiert. Fokussiert wurde jedesmal auf die Mitte der grauen Geflechtkugel, die Kamera ist nicht im Fokus, sondern soll zeigen, wie knapp die Schärfentiefe bei weit geöffneten Blenden ist. Ab Blende f/4 ist sie dann scharf abgebildet. Der Hintergrund besteht aus Baumzweigen, Ästen und Steinen, die das Bokeh zeigen aber nicht durch die allseits bekannten Scheibchen des Bokeh-Highlights ablenken sollen. Aufnahmeabstand war in etwa 1m.

Das Leitz Wetzlar Varob 3.5/5cm

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Das Varob 3.5/5cm ist eigentich gar kein Kameraobjektiv, sondern war für Filmvergrößerer in der Dunkelkammer gedacht. Sein Linsendesign entspricht aber genau dem eines versenkbaren Leitz Elmar 3.5/5cm, einem der ersten weitverbreiteten Normalobjektive für die Schraubleica. Da das Varob sozusagen „starr“ ist, sich also nicht im Tubus fokussieren lässt, kann man es an einer Leica M nicht sinnvoll nutzen, wohl aber an einer Sony, wenn man einen Adapter mit Helcoid verwendet, mit dem man fokussieren kann. Da die interne Konstruktion dem Elmar entspricht, sind die zu erwartenden Ergebnisse gleich. Wer also eine Sony hat und mit einem 50er Elmar fotografieren möchte, der findet in einem Varob eine preisgünstigere Alternative, selbst wenn man die Kosten für den Helicoid-M39-Adapter einrechnet.

Es ist absolut erstaunlich, wie scharf und gut eine solch alte Konstruktion an einer modernen spiegellosen Digitalkamera abbildet! An der Abbildungsleistung ist kaum etwas auszusetzen, sogar das Bokeh hat das Objektiv recht gut im Griff. Lediglich im „schwierigen“ Teil mit den Ästen im Hintergrund wird es etwas „wirr“ und kann ablenkend wirken.

Das FED 3.5/50

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Das eine Objektiv, das Russland ins Rennen schickt ist das versenkbare 50er FED, das es annähernd baugleich als Industar-22 und Industar-50 gibt.

Ganz ähnlich wie beim Varob verhält es sich bei diesem überaus günstig zu findenden FED 3.5/50, was nicht sonderlich verwunderlich ist, da es eine russische Kopie des Elmar-Designs ist. Interessant ist allerdings die stärkere Vignettierung bei Offenblende und der deutlicher sichtbare „Swirl“ im Hintergrund. Die Schärfe ist als gut zu bezeichnen. Ich nutze das FED gerne an meiner Leica IIIc. Beim Adaptieren an M gibt es allerdings ein Problem: der Sperrknopf für den Versenkmechanismus blockiert am Adapterring. Dafür habe ich noch keine Lösung gefunen.

Das Jupiter-8 2/50

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Das Jupiter-8 2/50 ist das etwas weniger lichtstarke, dafür aber deutlich günstigere Schwestermodell des Jupiter-3. Im Grunde ist das zweite russische Objektiv im Rennen ein Carl Zeiss Sonnar Nachbau, also keine Kopie einer Leitz-Rechnung. Es zeigt in der Tat das für ein Sonnar typische Bokeh, relativ weich aufgelöst, doch bei einer hohen Öffnung mit charakteristischen, radialen Mustern. Bei einem f/2-Objektiv wird das noch nicht so deutlich. Dazu später mehr.
Das J8 ist sehr kompakt und eines der preisgünstigsten f/2-Messsucher-Objektive, die man finden kann. Da sich der russische M39-Anschluss ganz leicht vom Leica Schraubgewinde unterscheidet – das russische Gewinde hat eine Steigung von 1mm, während die deutsche Version 0,977mm aufweist – das Auflagemaß aber übereinstimmt, lassen sich russische M39-Objektive an einer Leica M nutzen, es kann jedoch bei Offenblendaufnahmen zu Fokusfehlern kommen. Adaptiert an eine spiegellose Systemkamera spielt das keine Rolle, da man über ein LiveView fokussiert.

Das Jupiter-8 zeigt schon bei Offenblende eine ansprechende Leistung. Die Schärfe ist gut, es fehlt lediglich ein wenig an Kontrast. Etwas abgeblendet wird die Abbildungsleistung sehr gut. Das Bokeh ist relativ ruhig und kommt auch mit den schwierigen Ästen recht gut klar, dennoch ist es typisch für ein Sonnar-Design. Die Eckvignettierung ist angenehm gering und muss auch offenblendig nur bei sehr kritischen Motiven korrigiert werden.

Das Leitz Summitar 2/5cm

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Das Summitar 5cm, der zweite deutsche Kandidat, war bei Leitz der Nachfolger des Summars und bot eine deutlich gesteigerte Leistung. Es ist schon bei Offenblende zentral sehr scharf, verliert aber in den Ecken deutlich, zwar nicht ganz so viel wie sein Vorgänger, doch deutlich mehr als neuere Rechnungen. Es erreicht bei Blende f/2 auch nicht die Kontraststärke von modernen Objektiven. Für die digitale Fotografie ist das aber kein Problem. Die sehr große Frontlinse des versenkbaren Summitars sorgt dafür, dass die Ecken angenehm frei von Vignettierungen bleiben, ist aber gleichzeitig der Grund für den etwas niedrigeren Kontrast durch inneres Streulicht. Im Grund gibt es drei Versionen: Die erste Vorkriegsversion ohne Vergütung aber mit 10 Blendenlamellen. Da ist die Kontrastleistung am stärksten eingeschränkt, die Bokeh-Highlights sind aber schön rund. Die dritte Version mit nur 6 Blendenlamellen und Linsenvergütung und die eher seltene zweite Version, die schon vergütete Linsen hat, aber noch immer 10 Blendenlamellen. Diese Version, die etwa zwischen 1946 und 1950 gebaut wurde, habe ich und darüber bin ich sehr dankbar, denn sie verbindet für mich das beste aus beiden Welten.

Wie erwartet ist die Schärfe auf dem Fokuspunkt sehr gut. Das Bokeh ist meist recht weich, nur an Kontrastkanten kann es ziemlich hart und somit wirr werden, bei Offenblende ist zudem bei passendem Motiv ein deutlicher Swirl zu entdecken. Dafür, dass dieses Objektiv inzwischen über 70 Jahre als ist, ist die Leistung absolut beeindruckend. (Wer sich für die Historie der Leitz-Objektive interessiert und sich tiefgehend informieren will, dem empfehle ich die Bücher von Erwin Puts oder eine Mitgliedschaft bei Leica Historica e.V.)

Das Leitz Canada Summicron-M 2/50 (IV)

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Der „Canadian Contender“ in dieser Reihe ist das Leitz Summicron-M 2/50 (Leitz Canada; Version IV). Der berühmt-berüchtigte Ken Rockwell hat hier eine schöne Übersicht über die unterschiedlichen Summicron-Versionen veröffentlicht. Die Version IV, gebaut zwischen 1979 und 1994 (sowas kann man sich heute bei der kurzen Halbwertszeit von Fotoequipment kaum mehr vorstellen), gilt als der Höhepunkt des Doppel-Gauss-Designs bei Leica. Und ich muss aufpassen, objektiv zu bleiben, denn das 50er Summicron war schon immer eines meiner absoluten Lieblingsobjektive. Das 6-Elemente-in-4-Gruppen-Deisgn mit einer ausgezeichneten Vergütung sorgt für eine Abbildungsleistung, die in den meisten Bereichen auch heute noch mithalten kann.

Die Schärfe ist ausgezeichnet, die Kontrastleistung sehr gut und das Bokeh wunderbar angenehm. Es kommt sogar mit den komplexen Aststrukturen gut klar. Wenn man einen Kritikpunkt finden möchte, dass ist es die ganz leicht sichtbare Vignettierung bei Offenblende (an der Sony), doch störend tritt die nur bei kritischen Motiven auf, die man kaum bei Blende f/2 fotografieren würde. Bei f/4 ist sie nicht mehr wahrnehmbar. Die Signatur dieses Objektivs ist in sich einfach komplett stimmig. Mit dieser Mandler-Konstruktion (ich liebe Mandler-Objektive!) schickt Kanada einen starken Vertreter ins Rennen, der allerdings – das muss man zugeben – wenn heute (also gebraucht) gekauft das teuerste Objektiv dieses Vergleichs ist.

Das 7artisans 1.1/50

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Kommen wir als nächstes nach China. Nachdem zunächst eher „billig“ anmutende Objektive aus China auf den europäischen Markt kamen, werden seit einigen Jahren unter dem Markennamen „7artisans“ und neuerdings auch als „TTArtisan“ hochwertig verarbeitete Objektive zu eigentlich unfassbar günstigen Preisen angeboten. OK, €400,- klingt ja auf den ersten Blick nicht wirklich günstig, doch wenn man schaut, wieviel man für auf gleichem Niveau verarbeitete Objektive von Voigtländer, Zeiss oder gar Leica bezahlen muss, dann weiß man nicht, wie diese 7artisans-Preise möglich sind.

Hier sind vier Fotos zu sehen, da das 50er 7artisans bis Blende f/1.1 (!) öffnet – und damit etwa soweit wie ein Leica Noctilux oder ein Voigtländer Nokton – und ein Vergleich bei Offenblende alleine nicht fair gewesen wäre, lautet die Reihe hier 1.1 / 2 / 4 / 8. Das zweite bis vierte Bild sind also die direkten Vergleichsbilder, das erste ist ein Bonus.
Von daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Schärfe von einem gewissen „Glow“ überlagert wird und die Ecken arg dunkel werden. Der Kontrast hingegen ist schon bei f/1.1 beeindruckend. Das ist trotz der sichtbaren Einschränkungen eine echte Nutzblende und nicht nur ein Marketinggag. Als Sonnar-Typ zeigt das 1.1/50 schon bei f/2, was es kann. Die Schärfe ist top und das Bokeh ist zweifelsohne das beste von all den getesteten Objektiven. Offenblendig sind die Radiallinien wieder zu erkennen, doch leicht abgeblendet ist es herrlich samtig. Ich bin echt begeistert von diesem Objektiv und es drängt das 50er Summicron (ein Lieblingsobjektiv!) sehr häufig aus meiner Fototasche.

Das Leica Macro-Elmarit-R 2.8/60

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Das Leica Macro-Elmarit-R 2.8/60 habe ich als Referenz mitgenommen. Es gilt als eines der abbildungsstärksten Normalobjektive, die jemals gebaut wurden und ist durch seine geringe Naheinstellungsdistanz und die hohe Leistung in der Makro-Fotografie ein echter Allrounder.

Und fürwahr, es enttäuscht die Erwartungen nicht: schon bei Offenblende scharf, kontrastreich und mit einem tollen Bokeh. Obwohl ich es noch gar nicht so lange habe, ist es schon zu meinem Lieblings-Objektiv aus der Leica R-Reihe geworden. (Meine anderen R-Objektive sind/waren – bis auf das 180er und das Zoom sind sie verkauft: Elmarit 35, Summicron 35, Summicron 50, Summicron 90, Elmar 180, Curtagon 35, Apo-Telyt 280, Vario-Elmar 28-70). Die anderen 50er hier können froh sein, dass das Macro-Elmarit nur außer Konkurrenz startet. Deutschland kann daher leider nicht auf den ersten Platz in diesem Vergleich hoffen. Das wäre knapp geworden. 😉

Das große Fazit. Welches „Ranking“ stelle ich auf? Wenn ich die Leistung, die Haptik, die Vielseitigkeit aber auch die Verwendbarkeit an Leica M und adaptiert betrachte, sieht mein Urteil folgendermaßen aus:

  1. 7artisans 1.1/50 …………………………………………….9.0/10
  2. Leitz Canada Summicron-M 2/50 (IV)………….8.9/10 😉
  3. Leitz Summitar 2/5cm…………………………………..7.0/10
  4. Jupiter-8 2/50…………………………………………………6.5/10
  5. Leitz Varob 3.5/50 (Leitz Elmar 3.5/50)………..6.0/10
  6. FED 3.5/50………………………………………………………5.5/10

Damit geht der erste Platz an China, der zweite an Kanada und Bronze bekommt Deutschland. Russland bleibt leider nur die Blechmedaille, was in erster Linie an der nicht komplettem Kompatibilität mit dem Leica-Schraubgewinde liegt.

Leider besitze ich kein Canon 1.8/50 LTM. Das wäre nochmal echt spannend geworden, denn als ich einmal damit fotografieren durfte, hat es mir sehr zugesagt. Ich vermute, Japan hätte Deutschland die Bronze-Medaille stibitzt. Ich dutfte aber auch schon mehrfach mit einem Noctilux 0.95/50 und dem APO-Summicron-M 2/50 fotografieren. Jedes der beiden hätten mit Sicherheit für Deutschland Gold geholt. 😉


Ein Gedanke zu “Germany vs Canada vs Russia vs China

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