„Bokeh“ (jap. für „verschwommen“, „unklar“) ist in aller Munde.
Leider, wie so oft, verwischt nicht nur der betroffene Bereich im Bild, sondern auch die Bedeutung des Begriffes an sich. Daher zunächst ein paar einleitende Worte:
- Wenn man von „Bokeh“ spricht, dann ist nicht gemeint, wie stark etwas unscharf ist, also nicht der Grad der Freistellung im Unschärfebereich, sondern die Qualität dieser Unschärfe!
- Da diese Qualität nicht objektiv messbar ist, sondern den subjektiven Vorlieben des Betrachters obliegt, ist jede Diskussion über schlechtes, gutes oder besseres Bokeh müßig. Der eine mag ein cremig-weiches, samtiges Bokeh, in dem Details und Kanten fast völlig verschwinden, eine andere zieht ein Bokeh vor, in dem es „wimmelt“ und Kontrastkanten eine Art „Swirl“, kreisförmige Strukturen erzeugen. Jede(r) hat da so seine/ihre Vorlieben.
- Die Form der Blendenöffnung (Apertur) hat nur indirekten Einfluss auf das Bokeh. Dies ist ein häufig verbreitetes Missverständnis. Viele suchen nach einer Blende mit möglichst vielen Blendenlamellen, die zu einem beinahe perfekt-runden Kreis schließen (statt eckige Öffnungen zu bilden, wie mit 6 oder 7 Lamellen), weil sie glauben, dass die ein perfektes Bokeh generieren. Das ist so nicht richtig. Rund werden lediglich die Bokeh-Highlights, also Lichtpunkte, die unscharf abgebildet werden, dargestellt wenn die Blende kreisförmig schließt. Wie „cremig“ ein Bokeh ist liegt an der Rechnung des Linsensystems und an der Art der Korrektion von Aberrationen.
Das lässt sich leicht gedanklich nachvollziehen: so ziemlich jedes Objektiv hat bei voller Öffnung eine runde Blendenapertur und müsste dann ja bei Offenblende ein cremig weiches Bokeh erzeugen. Das ist aber nicht so. Es gibt viele (überkorrgierte) Objektive, die auch bei voller Öffnung ein hartes, harsches Bokeh bilden.
Soweit zu den Vorbemerkungen.
Kommen wir nun zum eigentlichen Anlass für diesen Artikel. Da ich leihweise für eine Woche ein Leica APO-Summicron-M 2/50 bei mir zuhause hatte (Danke, Michel!), kam ich auf die Idee, ganz advents- und weihnachtstypisch, Lichter im unscharfen Bereich abzubilden (Bokeh-Highlights, manchmal auch „Bokeh-Balls“ genannt) und drei Generationen von f/2.0 Leica Objektiven zu vergleichen:
- Leitz Summitar 2/5cm (M39, Version noch mit vielen Blendenlamellen und schon mit Vergütung)
- Leica Summicron-M 2/50 (M, Version IV, „Canada“, eine Mandler-Rechnung)
- Leica APO-Summicron-M 2/50
Und da das natürlich noch erweitern werden kann… aber dazu später.
Hier also die Bilder, die alle mit der Sony A7II aufgenommen wurden.
Zunächst das Leitz Summitar:
Die Schärfe ist in Ordnung, wenn auch ein gutes Stück von modernen Objektivrechnungen entfernt. Der Fokus ist aufgrund des größeren Mindestabstandes auch nicht optimal getroffen. Darauf kommt es aber auch nicht an. Der Kontrast ist deutlich geringer als bei modernen Objektiven, was nicht anders zu erwarten war.
Die Bokeh-Highlights zeigen den typischen Charakter des Summitars, vor allem bei Offenblende: ausgeprägte „Katzenaugen“ zu Rand hin, die zu einem Swirl neigen. Leichte Überkorrektur, was sich an Rändern der Scheibchen zeigt. Das ist genau das, was manche suchen. Andere stören sich daran. Siehe oben.
Jetzt das Mandler-Summicron (eines meiner Lieblingsobjektiv für die M):
Bei Offenblende zeigt das Canada-Summicron genau die Art von Bokeh, die ich sehr mag: samtig, weitgehend neutral bzgl. Korrektur, leichte Tendenz zu Katzenaugen und ganz leicht zum Swirl. Abgeblendet sieht das etwas anders aus durch die Ecken, die deutlich zu sehen sind und durch die eckige Apertur verursacht wird. Das Bokeh an sich ist allerdings noch immer weich und sehr angenehm.
Über die Schärfe kann man absolut nicht meckern.
Und schließlich das APO-Summicron:
Schärfe und Kontrast sind über jeden Zweifel erhaben. Ich habe selten ein so leistungsstarkes Objektiv genutzt. Aber wie sieht es mit dem Bokeh aus? Grundsätzlich ist es äußerst angenehm, weich und samtig. Das stören keine Kanten, da wimmelt es nicht im Bild. Bei Offenblende sind die „Bokeh-Balls“ überaus neutral, abgeblendet sind auch bei diesem Summicon die Eckchen erkennbar, das Bokeh an sich bleibt aber weich und cremig. Das APO-Summicron kommt für viele sehr nahe an das Ideal heran, andere vermissen vielleicht aber einen objektivtypischen Charakter, den sie für solche Bokeh-Aufnahmen suchen. Das ist allerdings keineswegs ein Mangel oder ein Kritikpunkt!
Um den Vergleich nochmals etwas zu erweitern, habe ich mit vier weiteren Objektiven das gleiche Motiv aufgenommen:
- mit dem Sony FE 1.8/50, als moderner Rechnung und mit Autofokus, sozusagen das eigentliche Standard-50er für die Sony,
- mit dem Canon FD 1.4/50 als Vertreter eines älteren, lichtstarken 50ers mit sehr gutem Ruf,
- mit dem Helios-44 2/58, einem Objektiv, das speziell aufgrund seines Bokehs gesucht und gekauft wird und einen beinahe legendären Ruf unter den Bokeh-Fans hat. (Ich habe die Fotos allerdings nicht mit dem 44-2, sondern mit einer etwas moderneren Version aufgenommen. Ich war ehrlich gesagt zu faul, das „alte“ aus der Vitrine zu holen. 😉 ) und schließlich
- mit dem 7artisans 1.1/50 aufgrund des für diese Rechnung typischen außergewöhnlichen Bokehs bei Offenblende – und weil es auch ein Objektiv für die Leica M und somit eine mögliche Alternative ist.
Bitte ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse.
Sony FE 1.8/50
Canon FD 1.4/50
Helios-44 2/58
7artisans 1.1/50
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