Was heißt denn hier „underrated“? (oder „Pimp my Camera“)

Ja, natürlich. Wer halbwegs etwas Englisch kann weiß, dass „underrated“ soviel wie „unterschätzt“ oder „unterbewertet“ bedeutet. Mit anderen Worten, ein Gerät, eine eine Leistung – im schlimmsten Fall sogar ein Mensch – wird als geringer wertvoll betrachtet als es/er das in Wirklichkeit ist.
In der Fotowelt gilt das vor allem für einige, meist ältere Objektive, denen von der Fotografen-Gemeinde keine besondere Achtung geschenkt wird, weil viele glauben, sie seien nicht gut. Ist dieser Gedanke unberechtigt, spricht man im anglophilen Bereich von einer „underrated lens„. Ein Beispiel dafür ist meines Erachtens z.B. das ältere Nikkor AF 1.8/50. Jeder sehnt sich nach einem AF 1.4/50, doch m.E. ist das 1.8er sogar das bessere Objektiv (im Gegensatz zu den manuellen, dort ist das AI 1.4/50 etwas stärker als das schon sehr gute AI 1.8/50). Ein weiteres „underrated“ Nikkor ist das alte AF 3.5-5.6/24-120, welches an modernen DSLRs und an analogen SLRs weitaus besser „liefert“ als sein Ruf vermuten lässt.
Eine „underrated lens“ ist sozusagen das Gegenteil von einem Objektiv, um das unberechtigterweise ein Riesen-Hype gemacht wird. Solch eine Hype-Linse ist in meinen Augen z.B. das Meyer Trioplan 2.8/100 – ein simpler Dreilinser, dem ein „magisches“ Bokeh zugeschrieben wird. Nun ja, wer überdeutliche Blubberbläschen im „out of focus“ Hintergrund sucht, für den mag das passen. Mich stören diese überkorrigierten Ringe hingegen.

Bild genutzt von „camerapedia“. (http://camerapedia.wikia.com/wiki/Nikon_L35AF/AD)

Manchmal gibt es aber auch eine „underrated“ Kamera. Das sind dann fast immer ältere, analoge Sucherkameras aus den 80ern und 90ers.
Während die Messsucher-Film-Kameras noch eine gewisse Wertschätzung erhalten und die sog. „Edelkompakten“ (Nikon 35Ti, Minolta TC-1 etc.) aus dem letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts sehr hohe Gebrauchtpreise erzielen, gibt es Autofokus-Sucherkameras, die man oft für unter €10,- in voll funktionsfähigen finden kann, obwohl sie zuverlässig ihren Dienst tun und mit geradezu exzellenten Objektiven ausgestattet sind. Eine solche Kamera ist die Nikon L35AF. Nikon selbst hat für diese AF-Kompaktkamera „Pikaichi“ als Spitzname genutzt. „Pikaichi“ ist Japanisch und steht für „erstklassig“. >> Hier << lässt sich nachlesen, wieviel ein Nikon Entwicklungs-Ingenieur von dieser kleinen Kamera hält.  Einen interessanten Bericht über diese Kamera findet man auch bei >> Casual Photophile <<.

Und in der Tat, ich halte diese kompakte Nikon definitiv für „underrated„. Das eingebaute Objektiv, ein 2.8/35 aus 5 Elementen in 4 Gruppen, zeichnet kontraststark und in tollen Farben. Die bei jeder Blende etwas erkennbare Vignettierung tut nach meinem Geschmack den meisten Fotos sogar gut.
Die Nikon L35AF sieht nicht so gut aus wie eine Nikon 35Ti, sie kostet aber gebraucht auch nur 1/30 der „Ti“. Der Autofokus ist ordentlich schnell und sitzt in den meisten Fällen. Es gibt ein 46mm-Filtergewinde, was nicht selbstverständlich ist bei solchen Kameras.
Im Grunde stören mich nur drei Dinge an der L35AF:

  1. Sie ist laut. Ja, das stimmt. Allerdings lässt sich das Weiterspulen des Films und das Aufziehen des Verschlusses verzögern, indem man den Finger nach dem Foto auf dem Auslöser gedrückt hält. Das funktioniert wie der „discreet“-Modus bei meiner Leica M8.
  2. Der Blitz nervt, da er automatisch mit einem lauten „klack“ nach oben springt, wenn es der Kamera zu dunkel wird. Dem kann man zumindest ein wenig abhelfen, indem man entweder einen hochempfindlichen Film einsetzt oder eine weniger empfindlichen Film pushed.
  3. Sie sieht nicht gerade elegant aus. Ich weiß ja nicht, was die Designer so generell in den 80ern geritten hat, aber wirklich ästhetisch waren ihre Einfälle nicht. Um das zumindest ein wenig – und ohne großen finanziellen Einsatz – zu verbessern, hatte ich eine kleine Idee. So begründet sich auch der zweiten Teil im Titel. 😉

Da bei meiner Nikon L35AF auf nikonl35afder rechten Seite die Belederung fehlte,
habe ich bereits vor einigen Jahren ein Fensterleder genutzt, es passend geschnitten und dort befestigt. Das erfüllte seinen Zweck, sah aber alles andere als gut aus.

Dieses „Kunstleder“ habe ich neulich wieder entfernt und durch ein deutlich eleganteres Design ersetzt und gleich auch die linke Seite unter dem Nikon-Schriftzug angepasst:

nikon2

Um das Ganze zu vervollständigen, wurde der Objektivdeckel gleich „mitbehandelt“:

nikon1

Von hinten sieht die Kamera aber noch so aus wie früher:

nikon3

(Ich sollte sie nur einmal in den Ecken entstauben. 😉 )

Zu dieser kleinen Nikon gibt es übrigens auch eine Flickr-Gruppe und bei Butkus ein Handbuch. Im Rangefinderforum findet man zahlreiche Diskussions-Threads, und auf pansfilmcameras einen interessanten Vergleich zwischen der Nikon L35AF und einer Yashica T5.

Falls Sie sich nun fragen, welches „edle Leder“ ich hierfür verwendet habe, so muss ich Ihnen eine Illusion nehmen. Das ist nichts anderes als eine D-C-Fix-Folie im Design „Metallic Tundra Kupfer„. 😉

Mit der gleichen Klebefolie habe ich übrigens eine alte, ziemlich abgeranzte Yashica FX-D Quartz, die mir neulich netterweise ein Nachbar meiner Eltern geschenkt hat („Du bist doch so ein Kamerafan, nicht wahr?“ Schon klasse, wenn einem der Ruf voraus eilt.) und die ich durch eine intensive Säuberung sowie zwei neue Batterien wieder vollkommen fit machen konnte, „veredelt“ – diesmal vorne und hinten:

Dieses Design mag sicher nicht jedermanns Geschmack treffen (und ich hätte wirklich sauberer arbeiten können), doch ich mag es und es sieht in echt nochmals besser aus als auf den Fotos. Soviel jedenfalls zu „Pimp my Camera“.

P.S.: Ich sehe gerade, dass dies mein 250. Artikel hier im Blog war. Jubiläum! 🙂

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