75 und 90

Diese beiden Brennweiten sind typisch für die Portrait-Fotografie und da ich ja nun ein überaus geduldiges Model bei mir habe – für die übrigens immer noch keinen Namen gefunden wurde – möchte ich (ganz auf die Art der kürzlich gezeigten 50er Portraits) zwei meiner Lieblings-Portraitobjektive vorstellen: das Leica Summicron-M 2.0/90 (Mandler) und das Meyer Optik Primoplan 1.9/75 (Link zur Version II).

Leica Summicron-M 90

Meine Version des Summicrons wurde in den 1980ern und -90ern gebaut und vom berühmten Konstrukteur Walter Mandler entworfen. Es gehört für mich noch immer zu den besten oder vielleicht angenehmsten jemals gebauten kurzen Teleobjektiven. In meinen Augen ist seine Abbildungsleistung über jeden Zweifel erhaben. Ja, die neuen APO und Asph-Versionen sind im Labor immer „besser“ als die alten, doch gerade dies macht die Mandler-Objektive für mich so faszinierend. Sie sind nicht 120% scharf, wenn Sie verstehen, was ich meine, aber auf jeden Fall scharf genug für so ziemlich jeden denkbaren Fall. Sie zeigen kaum sichtbare Fehler, sind aber nicht so „klinisch“ wie manche neuen Modelle eben wirken können. Die Verarbeitung ist Leica-typisch überaus hochwertig.

Das alles zusammen genommen … da kommen nicht viele kurzen Teles heran. Ein 85er, das ich sehr mag, ist das Canon FD 1.8/85, dessen Abbildungscharakter ebenfalls großartig ist, doch die Haptik – so angenehm sie auch auch ist – reicht nicht an das Leica heran.

Ein Objektiv, dass in einer Liga mit dem Summicron spielt, wenn auch mit einer etwas anderen Persönlichkeit, ist das (neue) Meyer Optik Primoplan 1.9/75. Warum das „neue“? Weil das Original unfassbar teuer geworden ist. Da werden schon mal 3000,-€ für sehr gutes Exemplar aufgerufen! Die ganz neue Version „II“ ist für 1/3 dieser Summe erhältlich. Die Original-Version kommt auch bzgl. Vergütung z.B. nicht an die neuen heran und ist in erster Linie wohl inzwischen ein Sammlerobjekt, während die neuen Versionen Objektive zum Fotografieren sind.

Mich begeistert mein Exemplar immer wieder. Es ist annähernd fehlerfrei und hat dennoch diesen so oft gesuchten Vintage-Charme – eine überaus seltene Kombination und eben die gleiche Liga wie das Summicron. Im Vergleich zum Leica ist das Bokeh – typisch Meyer möchte man fast sagen – etwas spezieller, etwas unruhiger und weniger samtig aber dennoch überaus angenehm. Die typischen Leistungsparameter (Schärfe, Fall-off, Verzeichnung, Kontrast etc.) sind ziemlich tadellos.

Die Verarbeitung ist enorm wertig und man nimmt es einfach gerne in die Hand. Mein Exemplar hat ein Nikon-Bajonett, so dass ich es an der Nikon Df, an der Sony A7II, an der Leica CL aber auch an all meinen anderen digitalen Systemkameras nutzen kann – sogar per LiveView an der Leica M240 – und an den analogen Nikons.
Das einizge, was vielleicht ein wenig stört, ist die Mindestfokusdistanz von 75cm (auch eine weitere Ähnlichkeit zum M-Summicron, das mit 1m bei 90mm einen ähnlichen maximalen Bildausschnitt zeigt). Es taugt daher ohne Zwischenring oder Vorsatzlinse nicht für Nahaufnahmen.

Welches von diesen beiden Objektiven mag ich lieber, fragen Sie? Das wäre so als wollten Sie mich zwingen, mich für einen unserer beiden Labradore zu entscheiden. Sowas geht nicht. 😉