Die Schönheit der Retina

Nein, ich meine nicht die Retina in unseren Augen (obgleich ich die Augen eines Menschen zu den faszinierendsten Körperteilen zähle). Ich meine auch nicht das neue Display von Apple (auch wenn ich zugeben muss, dass mich das Retina-Display des iPads meiner Frau schon schwer beeindruckt!). Ich meine vielmehr die alten Kameras der Retina-Serie von Kodak.

Diese Kameras waren ursprünglich eine Art von Leica-Ersatz für Fotografen, die beides waren, preis- und qualitätsbewusst,  und die bereit waren, für einen deutlich niedrigeren Preis auf das eine oder andere „Schmankerl“ aber nicht auf Qualität zu verzichten. Kodak Retina Kameras wurden in den 1940ern und 1950ern in großen Mengen gebaut und verkauft – ein untrügliches Zeichen für eine gelungene Produktstrategie.

Für uns heute ist dies insofern von Belang, als dass die Kameras recht gut auf dem Gebrauchtmarkt zu finden sind. Hier schlägt dann mein Herz auch wieder höher. Es ist einfach eine wunderschöne Sache, mit Geduld und Zuversicht auf Fotobörsen sowie in Internetforen und Online-Auktionen herumzustöbern, um solch eine gut erhaltene und funktionierende schöne Kamera für einen Preis zu finden, der einem eben nicht die Tränen vor die Retina treibt. 😉

RetinaIaSchon vor ein paar Jahren fand ich – eher per Zufall, da ich nach etwas völlig anderem gesucht hatte – auf einer Börse in Solms eine Kodak Retina Ia, sozusagen das Standardmodell, für einen günstigen Preis. Der Verkäufer bot sie als defekt an. Das war sie aber nicht und da ich keine Veranlassung sah, den Verkäufer darauf hinzuweisen, freute ich mich über ein Schnäppchen. (Ja, man kann mir nun moralische Verwerflichkeit oder Unehrlichkeit vorwerfen, aber ich finde, dass wenn jemand als Verkäufer auftritt, er sich schon über die Sachen, die er verkauft, informieren sollte. Außerdem sprechen wir hier von einer „Verlusthöhe“, der dem Verkäufer nun wirklich nicht weh getan hat.)

Wie auch immer, meine Retina Ia funktioniert jedenfalls auch heute noch.

Matt Denton hat hier ein paar Informationen zu dieser Kamera zusammengestellt, Chris Sherlock stellt sie hier kurz vor und sogar der berühmt-berüchtigte Ken Rockwell (gehasst und geliebt) hat sich dieser Kamera angenommen. Auch auf der Seite lomography hat die Retina Ia einen Platz gefunden.

Die kleine Kodak bietet weder einen Belichtungsmesser, noch irgendeinen Weg, die passende Entfernung zu bestimmen. Man muss also entweder auf externe Geräte zurückgreifen (was auch sehr großen Spaß macht) oder eben lernen zu schätzen („guesstimate„, wie es so schön kreativ heißt ;)). Was sie aber hat, ist ein versenkbares Objektiv, was sie in zusammengeklapptem Zustand sehr kompakt macht. Dieser Idee folgen übrigens alle Retina-(Mess-)Sucherkameras. Die Retina Ia nutzt eine kleinen Balgen, um den Auszug lichtdicht zu machen – ein wunderschönes kleines Detail.

So sehr mir die kleine Ia auch ans Herz gewachsen ist, manchmal hätte ich doch gerne zumindest einen Entfernungsmesser und vor allem ein etwas lichtstärkeres Objektiv gehabt. Ich hielt also die Augen nach einer Retina IIIC (mit großem „C“ für „große Sucherfenster“) auf. Leider muss man hinsichtlich der Gebrauchtpreise für eben dieses Modell meine Aussage von oben wieder etwas relativieren. Die IIIC wird man in gutem Zustand kaum mehr als Schnäppchen finden.

Aber, da ich ja solche eine Kamera nicht innerhalb von einer bestimmten Zeit haben muss, konnte ich mir genau diese Zeit nehmen, um immer mal wieder ein wenig danach zu stöbern und auch ein klein wenig über den Tellerrand zu schauen – immerhin gab es noch andere Modelle. Über ein paar Jahre tat sich nichts. Doch kürzlich fand ich ein Angebot in einer Online-Auktion, das mich aufhorchen lies. Es ging um eine Retina IIIc (mit kleinem „c“) aber – und das hatte mein Interesse geweckt –  mit einem Schneider-Kreuznach Xenon 2.0/50 Objektiv. Hui, das wäre doch was! Da die Kamera als technisch funktionsfähig und von einem Händler (also mit Rückgaberecht) angeboten wurde, war es kein allzu hohes Risiko. Und in der Tat, die Kamera funktioniert wie beschrieben, der Zustand ist wirklich hervorragend für solch ein doch schon recht altes Gerät.

RetinaIIIc

Rick Schuster beschreibt in seinem interessanten und lesenswerten Blog, dass das Modell IIIc keineswegs zu den Massenmarkt-Kodaks gehörte, sondern in direkter Konkurrenz zu den Leicas das damaligen Zeit stand. Ein Verkaufspreis von US$ 150,- im Jahr 1956 (was laut Schuster in etwa dem Wert von US$ 1200,- heute entspricht) verdeutlicht dies. Auch diese Diskussion (die leider im Verlauf ziemlich abdriftet) im deutschsprachigen APHOG-Forum zeigt, dass es so einige Fans der IIIc gibt. Der bereits weiter oben genannte Chris Sherlock zeigt Unterschiede der Modellvarianten hier auf und Mike Butkus stellt  die Handbücher online zur Verfügung: hier und hier.  (Für mich ist es an dieser Stelle mal wieder Zeit darauf hinzuweisen, dass sich Mike Butkus über eine Zuwendung für seine freiwillige Arbeit sicher freuen würde!)

Der ebenfalls oben schon genannte Ken „Infamous“ Rockwell nutzte übrigens eine Kodak Retina IIIc für seinen Vergleich zwischen „digital“ und „film“. Auch wenn ich seine Argumentation dort nicht wirklich unterstütze, so sagt das doch einiges über die Qualität der Kamera und vor allem des Objektivs aus.

Der erste Film jedenfalls ist geladen und ich freue mich darauf, mit meiner neuen alten Retina IIIc zu fotografieren. Wenn die ersten Ergebnisse vorliegen – das kann ja, wie Sie wissen – immer etwas dauern, werde ich sie hier natürlich auch zeigen…

 

(Die Fotos in diesem Artikel sind übrigens mit meinem Sony Xperia Z gemacht worden.)

12 Gedanken zu “Die Schönheit der Retina

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  3. Matthias

    Funktioniert auch der Selen-Belichtungsmesser deiner IIIc noch? Auf eine IIIC wäre ich persönlich ja auch noch scharf. Aber wie Du schon schreibst…die ist nicht gerade preiswert zu bekommen. Ich habe eine Ib. (leider klein b ohne BeLi) Sehr gut erhalten und bildschön. Meine Suche nach einer günstigen IIIC geht aber weiter.

    1. Nein, er funktioniert nicht wirklich, reagiert zwar aber völlig unberechenbar. Macht mir aber nichts aus, da ich mit vielen Kameras ohne Belichtungsmesser fotografiere und sehr gut damit zurecht komme.

      Drücke dir die Daumen, dass du deine IIIC noch findest! 🙂

    2. Sabine Laas

      Guten Tag, ich bin per Zufall auf diese Seite gestoßen. Ich bin im Besitz einer Retina 1b und wollte mich via Internet über ihren Wert erkundigen. Bitte können Sie mir einen Etwawert sagen? Lieben Gruß Sabine

  4. ol´dee

    Hallo ihr lieben
    Bin auch grosser Retina liebhaber hatte bisher Model 2 und Model 1a,ich kann nur sagen das es einen Riesenspass macht mit diesen old school knipsen zu Schiesen.Zum anfang des Monats habe ich Heute mir das Model 1b gegönnt (für´n zwani in der bucht) bin mal gespannt was da kommt,ich kann nur sagen das die Erfahrungen mit meinen beiden vorherigen Modellen einen Riesen fun factor hatten(ich geh nie ohne eines dieser baby´s nach drausen).
    Tschüssi ihr lieben
    ol´dee

  5. kaiwin

    Erst einmal – Glückwunsch zu dieser schönen Seite!

    Habe meine Retina I bei einem Trödler in München gefunden. Ja solche Läden gibt es noch 😉 Scheint ein Type 010 (1946-49) zu sein mit einem Compur Verschluss (nicht Compur Rapid) und Kodak Anastigmat Ektar f3.5.
    Bin schon ganz gespannt auf den ersten Film!
    Viele Grüße, Kai

  6. Hermann Weber

    Wenn ich die einzelnen Retinas vergleiche, ist die IIIc nicht die Beste. Die Leuchtrahmen im Sucher sind ätzend. Die IIc mit Heligon 1:2 ist weitaus besser. Noch besser sind die alten Retinas I , Ib und II. Sie haben Festobjektive (kein Satzobjektiv), deren Zeichnung unübertroffen ist. Selbst das Vorkriegsmodell von 1936/38, Retina II, Xenon 1:2, mit gekuppeltem Entfernungsmesser, ist noch heute eine erstklassige Kamera , sofern sie die Jahre gut überstanden hat. Die fehlende Vergütung des Objektivs ist kein Nachteil. Alte Objektive vergüten sich selbst, wie mir einmal ein Fachmann erklärt hat.

  7. Manfred Reitbauer

    hallo, habe eine IIIc von meinem vater geerbt. das war auch die erste kamera mit der ich fotografieren lernte. habe mir dann noch die vorsatzobjektive besorgt (die sind je stück teurer als 2 kameras auf ebay wären). die leuchtrahmen im sucher nerven in der tat etwas weil sie nicht wirklich auch nur annähernd dem bildauschnitt entsprechen, aber das hat man schnell im griff. mein belichtungmesser funtioniert immer noch ziemlich gut, allerdings hat schon mein vater die streuscheibe für starke sonnenstrahlung verloren. hat vielleicht noch jemand so ein teil? das auf ebay suchen ist hoffnungslos, was soll man da eingeben.

    danke

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