… und ein – na sagen wir mal – „außergewöhnliches“ Objektiv.

„Biotar“ – dieser Objektivname hat einen Klang, den erfahrene Fotografen ebenso schätzen wie Photographica-Sammler. Das Biotar von Carl Zeiss ist eine der sogenannten Doppel-Gauss-Rechnungen und eine Weiterentwicklung des Planars. Hier finden Sie mehr zu dessen Geschichte. (Man muss ja nicht alles nochmal schreiben.)
Das Biotar 2/58 war auf jeden Fall so gut, dass die Konstruktion und wie man sagt auch die Fertigungstechnik nach dem Krieg nach Russland „exportiert“ und dort unter dem Namen „Helios (oder Gelios) 44“ weiterproduziert wurde. Der Name „Helios-44“ lässt wiederum die Augen heutiger Altglasfans leuchten, denn dieses oft preisgünstige Objektiv gilt als (nicht mehr ganz so geheimer) Geheimtipp – und dies durchaus mit einer gewissen Berechtigung. Es ist sicherlich nicht das beste „50er“, das man finden kann, doch für den Preis bietet es ziemlich viel: es ist scharf und hat offenblendig eine Menge Charakter. Doch dazu später mehr.
Zurück zum Biotar. Ich bin in der glücklichen Lage, ein ältere Version mit EXA-Bajonett zu besitzen. Es ist ein wirklich schönes Objektiv und recht kompakt (wie man am Sony-Adapter erkennen kann).




Die Blenden schließen wunderbar kreisrund:


E ist ziemlich schwer für seine Größe und man merkt sofort, dass man da echte Wertarbeit in den Händen hält.
Schauen wir uns nun einmal zwei seiner Klone an.
Das erste ist das Helios 44-2, das vermutlich die Version ist, die am höchsten in der Gunst der Altglas-Junkies steht, gilt es doch als das mit dem stärksten Charakter (im Vergleich zu den modernen Versionen mit „M“ im Namen, der übrigens für den Anschluss „M42“ steht).



Es übernimmt die Formgebung späterer Biotar, ist zwar ganz ordentlich aber bei weitem nicht so gut verarbeitet wie das Carl Zeiss. Seine Blende schließt nicht kreisrund – was aber den Charakter nicht negativ beeinflusst. Die meisten wollen dieses Objektiv aufgrund seines „legendären“ Bokehs bei Offenblende nutzen. Die ersten beiden Ziffern der Serennummer zeigen i.d.R. bei russischen Objektiven das Baujahr an, demzufolge stammt mein Exemplar aus 1973. (Was einen bestimmten Bezug zu mir hat. Nein, mein Baujahr ist ein anderes.)
Als zweiten, moderneren, vor allem aber echt seltenen Klon betrachten wir ein „ГЕЛИОС 44-2“, das kein „M“ in der Bezeichnung trägt, obwohl es in einer modernen Fassung gebaut ist. Es stammt aus 1989.



Die Beschriftung in gelb, weiß und rot macht es zu einer ziemlich seltenen Version. Auch hier schließt die Blende nicht kreisrund, die Verarbeitung ist aber etwas hochwertiger als beim klassischen „44-2“. Es sieht exakt aus wie das schon recht seltene „44-3“, trägt aber die Aufschrift „44-2“. Solch eine Version habe ich bisher kein zweites Mal gesehen. (Natürlich bedeutet das bei den extrem hohen Produktionszahlen nicht, dass es ein Einzelstück ist. Ich vermute es ist eine Art Zwischenversion.)
Alle „M“-Versionen, die ich hatte, habe ich wieder verkauft. Die Originalität des klassischen und die Seltenheit des modernen „44-2“ waren die Gründe, diese beiden Exemplare zu behalten.
Man findet zahlreiche Artikel im Internet, in denen über das Biotar 2/58 (z.B. hier oder hier oder hier) und über das Helios-44 (z.B. hier oder hier) geschrieben wird.
Doch was wäre ein Fotoblog, wenn man dort nur Fotos von den Objektiven sehen würde. Interessant sind doch auch Fotos, die MIT den Objektiven gemacht wurden. In Ermangelung fotogenen Wetters (es ist mal wieder grauslich nass-kalt draußen) und vor dem Hintergrund, wie das Helios-44 gerne verwendet wird, habe ich eine schöne Kamera vor einem schönen Hintergrund mit Lichtern (= Weihnachtsbaum) fotografiert.
Zunächst das Biotar 2/58 (v.l.n.r. Blende f/2, f/2.8 und f/4):



Dann das klassische Helios 44-2 (v.l.n.r. Blende f/2, f/2.8 und f/4):



Und schließlich das „moderne“ Helios 44-2 (v.l.n.r. Blende f/2, f/2.8 und f/4):



Alle Fotos wurden mit einer Sony A7II aufgenommen. Ich habe nicht immer ganz genau den Fokus getroffen, doch darauf kam es auch gar nicht an. Wenn die Schrift nicht getroffen wurde, dann kann man auch auf die Kurbel schauen.
Man sieht, die Unterschiede sind nicht wirklich deutlich. Vor allem die beiden Helios-Versionen unterscheiden ich kaum. Das Biotar wirkt durch leichte Überstrahlungen, vermutlich verursacht durch die etwas simplere Vergütung (die ganz blass rosa schimmert, im Vergleich zum lila des alten Helios und deutlichen rosa der neuen Version), etwas weniger scharf. Die Kernschärfe ist aber absolut da. Es zeigt zudem m.E. einen noch stärkeren klassischen Charakter im Bokeh und die Katzenaugen sind nicht so ausgeprägt wie bei den Helios-Klonen.
Foto, vielleicht sogar besondere Fotos machen kann man mit jedem dieser drei Objektive sehr gut. Jedes macht auf seine Art und Weise Spaß. Wenn ich mich trennen und verkaufen müsste, würde das klassische 44-2 zuerst gehen, dann das moderne 44-2 (weil es sehr viel schwerer sein würde, es wieder zu finden) und ganz zum Schluss erst das Biotar, dass am längsten bei mir bleiben dürfte.
Aber ich habe ja am Anfang des Artikels noch ein „außergewöhnliches“ Objektiv angekündigt. Dazu kommen wir nun. Es handelt sich um ein Objektiv mit britischen Namen (das aber in Deutschland hergestellt wurde): das „Corfield Lumax 2.8/50“. Wer nicht tief in der Photographica steckt, hat vermutlich werde von Corfield als Kameramarke von von einem „Lumax“ als Objektivtyp gehört.




Lesen Sie hier über die Geschichte der Marke. Die Objektive dieser Reihe hatten einen M39-Schraubgewindeanschluss sind aber nicht messsuchergekoppelt, da die Corfiel-Kameras ein wirklich außergewöhnliches Periskop-Fokussystem nutzen. Dennoch kann man sie mit ein bisschen Basteln per M39-Sony-Adapter an eine Sony adaptieren, erreicht aber u.U. nicht ganz unendlich.
Die Leistung dieses entwerder unvergüteten oder nur einfach vergüteten 50ers ist sehr speziell an einer Digitalkamera. Positiv würde man „duftig“ sagen oder von einem „Glow“ reden. Kritisch betrachtet würde man auf deutliche Überstrahlungen und Schleier hinweisen.
Dieses Lumax nutzt man sicher nicht für die normale, alltägliche Fotografie. Doch ich hätte große Lust damit mal ein paar Portraits zu machen.
Blende f/2.8 (links), Blende f/4 (rechts):


Und nun erkennen Sie das Titelbild dieses Artikels auch wieder. Es hat wirklich einen besonderen Charakter, nicht wahr?
Schließen wir mit einem augenzwinkernden Ranking ab:
Leistung (nach modernen Maßstäben):
- Helios 44-2 (neu)
- Helios 44-2 (alt)
- Biotar 2/58
- Lumax 2.8/50
Beauty-Factor:
- Biotar 2/58
- Lumax 2.8/50
- Helios 44-2 (neu)
- Helios 44-2 (alt)
„Duftigkeit“:
- Lumax 2.8/50
- Biotar 2/58
- Helios 44-2 (alt)
- Helios 44-2 (neu)
Coolness-Factor:
- Biotar 2/58
- Lumax 2.8/50
- Helios 44-2 (alt)
- Helios 44.2 (neu)
Mal sehen, was mir so als nächstes vor die Kamera fällt. 😉
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