Umstrukturierung … oder „weniger ist mehr“

Tja, ich muss zugeben, dass ich gar nicht so recht weiß, wie ich diesen Text anfangen soll. „Weniger ist mehr“ passte bisher ja nicht so wirklich zu mir. Auch wenn ich die Philosophie dahinter voll verstehe und es jedes Mal wieder vor Augen geführt bekomme, wenn ich mit „kleinem Besteck“ unterwegs bin und dabei viel mehr zum Fotografieren komme.

Nun, ich beginne mal so:

645set1

Können Sie sich noch daran erinnern?

 Perfektes Timing!

Oder daran?

Endlich das ganze Set nutzbar…

Dort habe ich davon geschwärmt, wie toll ich mein Set für die Pentax 645 finde.
Ich finde die Kamera und die Objektive immer noch klasse! Bitte nicht falsch verstehen. Und mich inspiriert das Mittelformat auch noch immer.

Doch eines hat mich nachdenklich gemacht. Als ich meine Fotosachen für unseren Urlaub im geliebten Dänemark packte, musste ich mich ein wenig mehr einschränken als im letzten Jahr, weil wir nicht mit einem VW Bus, sondern mit dem Hyundai meiner Frau unterwegs waren, mit 5 Personen und Gepäck. Ich konnte noch immer reichlich Zeugs mitnehmen, doch musste ich etwas rigider auswählen. Nachdem ich damit fertig war und mich entschlossen hatte, das Pentax 645-Set NICHT mitzunehmen (obgleich ich mich ja eigentlich so auf die Fotos im Hafen mit dem 45mm gefreut hatte), dachte ich darüber nach, warum ich die 645er zuhause lies. Sie – oder besser das ganze Set – war mir einfach zu groß.
Das machte mich stutzig. Wie oft würde ich denn dann diese Kamera nutzen, die ich ohnehin ganz oft nicht mitnehmen würde? Vermutlich kaum. Also was wäre naheliegender als sie wieder zu verkaufen? Die Vernunft spielte mit einem „Habbe-Wolle“ „Engelchen und Teufelchen“. Kurzum, das Engelchen hat gesiegt. Aber nicht nur, weil ich das Set sehr groß, zu groß fand, nein, auch weil ich in Dänemark in einem netten Fotoladen in Ribe ein fantastisches, neuwertiges Nikkor AF 1.8/85D zu einem extrem günstigen Preis fand (dazu später mehr) sowie an anderer Stelle ein Nikkor AI 1.4/35, das ich mir schon lange wünschte – und eine meiner Regeln ja besagt, dass Neues nur kommen darf, wenn Altes geht.

Meine Pentax 645 ist also verkauft und mit ihr das 80-160, das 45er und das 90er. Mögen Sie ein neues gutes Zuhause finden. (Das 50er Zeiss habe ich noch, doch lange vermutlich nicht mehr. Die Angebote kommen rein…)

Aber so ganz ohne (vernünftiges) Mittelformat? Nee, das geht auch nicht. Es musste also eine bezahlbare, relativ kompakte und dennoch leistungsfähige Mittelformat-Kamera her. Eine, die man gerne nutzt und mitnimmt, weil sie tolle Fotos macht und man keinen extra Koffer für sie braucht. Nur welche?

Die wundervollen neuen Voigtländer Balgenkameras sind zwar erstklassig und klapp-kompakt, doch richtig teuer. Gleiches gilt für eine alte Traumkamera, die Plaubel Makina 67. Billige Kameras hingegen bieten mir nicht mehr als die alten Teile, die ich ja immer noch habe.
Während dieser Grübelphase erinnert ich mich an meine „geheime“ Liebe für Messsucherkameras. Hmmm… gab es da mal nicht was? Eine Messsucher-Mittelformatkamera? Ja, klar! Die „Texas“-Leica. Und für mich als Fuji-Fan wäre das überdies enorm passend.
Leider verliefen die ersten Recherchen etwas enttäuschend: sie gelten zwar als durch und durch gute und zuverlässige Kameras und sie sind auch *räusper* relativ kompakt (Nicht lachen! Im Vergleich zum Pentax-Set sind sie das!), doch für unter €600,- war da nichts Vernünftiges zu finden. Ui, dieser Berg war mir dann doch etwas zu steil. Als letzter Ausweg blieb mir ein Import aus Japan, denn dort findet man die Fuji 690 für deutlich weniger Geld, selbst wenn man die Einfuhr- und Mehrwertsteuer hinzuzählt. Es bleibt allerdings das Risiko des sehr fern sitzenden Verkäufers. Nun ja, nach einem ausgedehnten Check der Bewertungen bei EBAY und der zumindest etwas besseren Absicherung des Käuferschutzes durch PayPal, ging ich dieses Risiko ein. Ich bestellte eine Fuji GW690 Professional.

Die Kamera wurde sehr schnell versendet, brauchte aber in der Abwicklung hier im Zoll länger als im Transport von Japan nach Frankfurt. Na ja, jetzt ist sie ja da – und sie ist in einem guten Zustand (man könnte hier und da von „Patina“ reden 😉 ), vor allem aber funktioniert sie sehr gut, sogar der Messsucher ist korrekt justiert.

Voilá… die „Texas“-Leica:

690_w1

690_w2
(Hier noch mit einem Rodenstock-UV-Filter davor, weil ich noch keine wirklich gut passende Objektivkappe hatte. Die Orginiale finde ich nicht so toll.)


Die Fuji 690 liegt für meinen Geschmack sehr gut in der Hand und lässt sich super angenehm bedienen. Das fest installierte 3.5/90 Objektiv meines Exemplars ist extrem sauber und sämtliche Mechanik (Blende, Zoom, Verschluss) läuft geschmeidig. Das Objektiv ist definitiv scharf, auch bei Offenblende und der Sucher ist sehr, sehr klar (eine häufige Problemquelle der 690er).

Und die Größe? Ähm… na ja, sie ist nicht wirklich „klein“:

690_w4
„Texas“-Leica im Vergleich zur Leica M8.

Aber man kann sie deutlich besser einpacken als die Pentax 645 und darauf kommt es an. Außerdem liefert sie einem Negative im 6×9-Format! Hey, DAS nenne ich mal ein Negativ!!

Da ich noch einen S/W-Rollfilm (einen Rollei R³ 400) im Kühlschrank hatte – neue Filme sind bereits bestellt – probierte ich sie natürlich sofort aus. Man bekommt höchstens 8 Fotos auf einen 120er Rollfilm. Das erste Foto habe ich auch noch aus Versehen durch einen „dabbischen“ (wie wir in Hessen sagen) Druck auf den Auslöser verschossen. Die beiden folgenden Bilder meiner Kinder sind sehr schön geworden und die Fotos eines kleinen Spaziergangs durch Wetzlar zeigen, dass die Kamera sehr gut funktioniert:

Fuji690_R3_004w
„Wetzlarer Dom“ bei Blende f/8
Fuji690_R3_005w
Blende f/5.6 oder f/8 (?)
Fokustest bei Offenblende, Foto noch leicht auf 2/3 geschnitten
Fokustest bei f/5.6, Foto noch leicht auf 2/3 geschnitten
Daraus ein Crop von einem 1200 dpi Scan
Daraus ein Crop von einem 1200 dpi Scan, ungeschärft

Entwickelt habe ich den Rollei-Film in Adonal 1:25, 12 1/2 Minuten bei 20°C.
Der Adonal/Rodinal ist ja nicht gerade als Feinkornentwickler bekannt und der Rollei R³ auch nicht als der Film mit der besten Tonwertabstufung, doch mit den Ergebnissen bin ich echt zufrieden. Das bei Vergrößerung deutlich sichtbare Korn ist auf Fotos der üblichen Größe kaum mehr sichtbar, da ein Negativ dieses Ausmaßes nur wenig vergrößert werden muss. Ein 13×18-Foto hat nur in etwa die vierfache Größe des Negativs. Mit einem Kleinbildfilm käme man damit auf ein Foto im Format 4,8×7,2 cm. 😉
Einen weiteren Vorteil hat das 6×9-Format für mich als Kleinbildfotograf auch noch: es ist das gleiche Seitenverhältnis und so muss ich mich bei der Bildkomposition nicht umgewöhnen.

Und wissen Sie was? Die „Einschränkung“, nur ein Objektiv zu haben (etwa ein KB-Äquivalent von 39 mm) finde ich äußerst befreiend, so seltsam wie das klingt.

Ich habe daher angefangen, eine ganze Menge an Kamerasachen herauszusuchen, die ich nach und nach verkaufen werde. Ob ich mich nun auch vom „weniger ist mehr“ anstecken lasse?

13 Gedanken zu “Umstrukturierung … oder „weniger ist mehr“

  1. Rainer

    Die Beschränkung auf das Wesentlliche, führt zu ein Konzrentration, weniger aber auch besserer Fotos zu machen? Dazu kommt auch noch, die beschränkte Anzahl der Aufnahmen mit dem Rollfim 120! Leider ist der 220 Film eine luxuriöse Rarität geworden!

    Übrigens, der ROLLEI R3 Film eignet sich auch wunderbar für IR Fotos! Der Original-Film AGFA Gevaert Belgien, wurde von der NATO u.a. als Luftbildfilm eingesetzt!

    Viel Spaß!

    1. Vielleicht nicht „bessere“ aber „überlegtere“ Fotos. 😉
      Ja, der 220er ist unglaublich teuer geworden.
      Danke für die Infos. Soweit ich weiß, wurde der R3 auch in der Verkehrsüberwachung eingesetzt.

      Übrigens, ich bin vom „weniger ist mehr“ noch ziemlich weit entfernt, aber die ersten Schritte sind gemacht.

      1. Rainer

        Ja, auch in der Verkehrs- und Banküberwachung! Es gibt bei MACO noch einige Filme, die für den analogen Filmanwender sehr interessant sind!

  2. Ein aufmerksamer Leser und Fotograf hat mich darauf hingewiesen, dass das 90 mm Objektiv am 6×9-Format in etwa einem 39mm am Kleinbild entspricht (und nicht wie von mir angegeben 45mm). Das ist völlig richtig und hiermit korrigiert.
    Besten Dank!

  3. Imkerhonig

    Hi und Glückwunsch zu der Textas-Leica.
    Lustig, dass ich ausgerechnet zur gleichen Zeit Japanische Ebayer stöbere.

    Wäre Interessant zu erfahren, bei wem du bestellt hast?

    Vielen Dank,
    Damian

  4. Pingback: Meine analogen Kameras des Jahres 2015 | RetroCamera.de

  5. Pingback: „Sieht“ man Mittelformat? – RetroCamera.de

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