Der „Parker-Kleinbild-Adapter“

„Wie? Was soll das denn sein?“ Fragen Sie sich das auch gerade? Kein Wunder, dass Sie den nicht kennen, den gibt es auch nur bei mir. 😉

Ja, solche verrückte Ideen entstehen, wenn man noch spät abends am Schreibtisch sitzt und arbeitet – und dann, wenn man endlich soweit fertig ist (so richtig fertig ist man als Lehrer ja nie), noch ein wenig – man ist ja sowieso noch wach – mit Fotosachen herumspielt. So auch neulich als ich, beinahe muss ich sagen „nachts“, die alte Reflekta in meinen Händen hielt, deren Film gerade in der Entwicklung war. Kennen Sie das auch? Nachts funktioniert das Gehirn in einem völlig anderen Modus. Ich denke anders. Das ist sicherlich keine geeignete Situation für logisch-mathematische Rätsel und auch nicht für eine langfristige Strategieentwicklung, dafür bin ich auf eine andere Art und Weise kreativ. Mir kommen Ideen, die ich tagsüber kaum hätte, wohl weil ich zu üblichen Uhrzeiten zielgerichteter denke. Vielleicht hängt es auch mit der Müdigkeit zusammen, womöglich werden andere Hormone ausgeschüttet. Es liegt ja immer irgendwie an den Hormonen. 😉

Als ich mir also das Innenleben der Reflekta so ansah, kam mir der Gedanke, dass es doch irgendwie möglich sein muss, einen Kleinbildfilm in dieser 6×6 Mittelformatkamera zu belichten. Gesehen hat man sowas ja schon öfters. Verräterisch ist bei diesen Negativen nicht nur das ungewöhnliche Format (ca. 58 x 24mm), sondern auch die bis über die Perforierung hinausreichende Belichtung des Films. Holga-Fans wissen genau wovon ich rede.

Nun ja, auf jeden Fall kam ich ins Grübeln. Man müsste einfach nur die Kleinbildpatrone etwas oben und unten verlängern und irgendwie in der Klemmvorrichtung des Spulenhalters in der Kamera befestigen. Klang nicht so kompliziert. Den Filmanfang in der leeren Gegenspule fest zu kriegen, sollte auf jeden Fall kein Problem sein. Zunächst dachte ich daran, eine leere Aufnahmespule zu zertrennen, was wohl – wenn sauber ausgeführt – eine elegante Lösung gewesen wäre, doch leider konnte ich gerade keine solche Spule finden und die, die hatte, brauchte ich ja für die Aufnahme des Films in der Kamera. Also musste eine andere Lösung her.

Wie gesagt, ich saß am Schreibtisch und nicht in einer Werkstatt. Mit standen demnach nur Dinge zur Verfügung, die sich in den Schubladen eines Schreibtisches finden lassen. Um im Filmhalter aufgenommen zu werden, musste die Verlängerungsvorrichtung eine kleine runde Öffnung haben. Sie sollte zudem aus weichem Material bestehen, das ich mit einem scharfen Messer bearbeiten konnte – immerhin musste sie in passende Stücke zerteilt werden. Plötzlich bahnte sich einer dieser kreativen Schübe seinen Weg in meine Großhirnrinde. Meinem Parker-Füller war doch gerad erst die Tinte ausgegangen, oder besser der Patrone darin. Diese Patrone! Sie ahnen, was nun folgt.

Ich maß aus, wie lang die Stücke der Verlängerung sein mussten, gab ein wenig für die Befestigung an der KB-Filmpatrone dazu und schnitt die leere Parker-Patrone zurecht. Die runde Öffnung passte sehr gut und das Plastik ist genau richtig, um zum einen die notwendige Stabilität zu gewährleisten und zum anderen an den Enden gespalten zu werden. Denn in solch einen Spalt wird der Steg der KB-Patrone geschoben und festgeklemmt. Das funktioniert wie von selbst. Dadurch kann sich die Spule im Inneren drehen, was ja notwendig für den Filmtransport ist.

Auf diesem Foto erkennt man den Ansatz:

ParkerAdapter2

So sieht das fertige Set aus. Der Film ist bereits entnommen und abgeschnitten.

ParkerAdapter1

Man darf nicht vergessen, das kleine Rotglas-Fenster auf der Rückseite der Kamera abzukleben, um einen Lichteinfall zu verhindern (ein KB-Film hat ja kein Schutzpapier). Das hat zur Folge, dass man nicht genau weiß, wie weit man am Transportknopf drehen muss, um keine überlappenden Bilder zu erhalten.

Bei der Reflekta Junior lässt sich das Fenster mit einem Schieber verschließen. Um sicher zu sein, habe ich aber zusätzlich noch abgeklebt.
Bei der Reflekta Junior lässt sich das Fenster mit einem Schieber verschließen. Um sicher zu sein, habe ich aber zusätzlich noch abgeklebt.

Ich entschloss mich dazu, sicherheitshalber dreimal um 180° zu drehen. Jetzt weiß ich, dass auch zwei Drehungen ausgereicht hätten.

Zurückdrehen in die KB-Filmdose lässt sich der Film nicht. Daher war es wirklich schwierig, den Film im Wechselsack aus der Kamera zu entfernen und in die Spule der Entwicklungsdose einzufädeln. Da wird es schon arg eng im Wechselsack. Aber auch dies hat schließlich funktioniert und so konnte ich den belichteten Film heute entwickeln.

Und so sehen die Ergebnisse aus. Sicher nichts für eine Galerie, aber Spaß gemacht hat es. Sehr sogar. 🙂

Parker003web
Die Ohm bei Anzefahr

 

 

 

Autobrücke über die Ohm
Autobrücke über die Ohm
Die Perforation ist hier nicht zu sehen, weil mein KB-Scanner sie immer auslässt. Außerdem beschneidet die KB-Scan-Funktion meines Epson-Scann-Programms automatisch auf KB-Bildgröße, daher musste ich die Dateien wieder per Photoshop zusammenfassen, mit Photoshop-WIA-Import funktioniert die Durchlichteinheit nicht und mein VueScan stürzt ständig ab. Ärgerlich.

Ich glaube, ab jetzt gehe ich wieder früher ins Bett. 😉

10 Gedanken zu “Der „Parker-Kleinbild-Adapter“

  1. Pingback: 135 auf 120 … diesmal professionell | RetroCamera.de

  2. Dein Artikel hat mich inspiriert, auch mal wieder was diesbezügliches auszuprobieren. Ich hab ihn bei mir verlinkt. Ich hoffe, Du hast nicht dagegen.
    Viele Grüße, Heiko

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  7. Solche Adapter hab ich mir mit einem Messer aus leeren Rollfilmspulen zurechtgeschnitzt, funktioniert wunderbar.
    Um die Dunkelsackentnahmeprozedur zu umgehen kann man an den Filmanfang eine leere Kleinfilmpatrone ankleben und den Film in diese aufwickeln. Geht allerdings etwas schwerer zu wickeln, muß man ausprobieren.

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