„Test“, „Review“ und wie sie alle heißen…

Neulich ist mir mal wieder aufgefallen, wie viele Kamera- und Objektiv-Experten es im Internet gibt. Und die veröffentlichen unzählige Tests, von jeder neuen Kamera, von jedem neuen Objektiv, von jedem neuen Blitz, jeder Fernsteuerung und was weiß ich noch alles…
Obgleich ich seit etwa 30 Jahren mit unzähligen Kameras und Objektiven fotografiert habe, würde ich mich wirklich nicht als Experten bezeichnen. Dafür fehlen mir die technologischen Grundlagen. Meine Kenntnisse über Kamera-Feinmechanik finden ebenso ihre Grenzen wie die über optische Physik – ein bisschen was weiß ich, genug Halbwissen, um ein wenig „mitzureden“. Doch wenn es tief ins Detail geht, dann muss ich einfach passen. Macht aber nichts. Ist ja nicht mein Job.

testchartblog
Kennen Sie diese Poster? Sie haben sogar eines davon zuhause? Oh weh, dann nehmen Sie mir diesen Text hoffentlich nicht übel. 😉

Ja, ich spiele auch gerne mit Kameras und Objektiven herum und ja, ich muss zugeben, dass ich vor ein paar Jahren – etwa so in der Zeit zwischen 2006 und 2010 – so manche „Testreihe“ fotografiert habe. Das gleiche Motiv mit mehreren Objektive bei unterschiedlichen Blenden bei Zooms mit unterschiedlichen Brennweiten fotografieren und dann deren „Leistung“ miteinander vergleichen. Meine unsäglichen Ergebnisse habe ich dann entweder in Foren oder auf eigenem Webspace publiziert und es folgten teils lange Diskussionen darüber, welches Objektiv denn nun das „beste“ sei.

Welch eine Verschwendung von Arbeitskraft und Lebenszeit!
Und abgehalten vom eigentlichen Fotografieren hat es mich auch noch.
(Allerdings muss ich eine kleine Einschränkung machen, denn wenn man solch eine „Testreihe“ mit einem oder zwei Freunden zusammen durchführt, ist das äußerst spaßig, weil dann das Zusammensein im Vordergrund steht.)

OK, ich möchte mich an dieser Stelle entschuldigen, falls ich hiermit jemandem auf die Füße trete. Es ist nicht meine Absicht, irgendjemanden zu ärgern und zu diskreditieren. Wirklich nicht.
Doch mal im Ernst: Wie aussagekräftig sind denn solche „Testreihen“, wenn sie von Fotoamateuren im eigenen Garten (oder im eigenen Wohnzimmer) unter nicht reproduzierbaren Verhältnissen in einer nicht standardisierten Testumgebung erstellt werden? Was meine eigenen Reihen angeht, so sehe ich heute deutlich, dass es – hätte ich ein kleines Detail geändert – auch zu ganz anderen Ergebnissen hätte kommen können.

Ja, auch ich habe mich, das gebe ich offen zu, an solchen „Tests“ orientiert. Und wenn ein Objektiv von einem User (vor allem von einem der „alten Hasen“ in einem  Forum) besonders gelobt wurde, kletterte es schnell hoch auf meiner „Haben-Wollen-Liste“.
Doch wozu führt das? Entweder zu Frust, weil man sich ein ganz besonders tolles Objektiv nicht leisten kann oder zu einem Kaufrausch, neudeutsch „G.A.S“ ( = Gear Acquisition Syndrome), in dem man weitaus mehr kauft als man jemals brauchen wird. (Nebenbei, so manches sehr teure Objektiv schneidet in einem „Home-Test“ auch deshalb so exzellent ab, weil der neue Besitzer die Geldausgabe irgendwie rechtfertigen will/muss. 😉 )
Ich bin nicht frei von G.A.S., definitiv nicht. Mir macht es zu viel Spaß, mit Kameras zu spielen und noch ein weiteres Objektiv auszuprobieren. Geb ich zu. Ich hätte mir so manchen Kauf sparen und das Geld sinnvoller ausgeben können. Völlig richtig. Allerdings ist es auch eine Art Hobby von mir. Nicht nur das Fotografieren an sich, sondern auch das Herumspielen mit fotografischen „Werkzeugen“. Allerdings wird dieser Teilbereich meines Hobbys mir irgendwie immer unwichtiger. Natürlich fasziniert mich eine alte Kamera noch immer, doch ich bin zur Zeit dabei, meine „Sets“ möglichst sinnvoll umzustrukturieren und eine ganze Menge an Zeugs zu verkaufen. Alles, was wenig Verwendung findet und wozu ich keinen besonderen Bezug habe, wird mich verlassen müssen. Auch, weil ich auf die eingangs beschriebenen „Tests“ – und somit komme ich wieder darauf zurück – keine Lust mehr habe.

Es mag jeder machen, wie er will. Und wer mit dem Abfotografieren von Testcharts oder Bücherregalen glücklich wird, dem sei es gegönnt. Er sollte sich aber bewusst sein, dass die erzielten Ergebnisse keine wirklich hohe Aussagekraft und somit wenig Relevanz haben. Klingt hart, meine ich aber so.

Was ich hingegen richtig toll finde und worüber ich wirklich dankbar bin, sind „Erfahrungsberichte„, also ganz persönliche Beschreibungen der eigenen Eindrücke über ein Objektiv, eine Kamera, ein Stativ usw. Denn solche Texte werden nie mit dem Anspruch der Objektivität geschrieben, die man ohnehin nicht erreichen kann. Finde ich super!

Solche Erfahrungsberichte vermitteln einen echten Eindruck in den Umgang mit einem Gerät. Und das kann für Interessenten sehr hilfreich sein. So versuche ich auch immer, meine „Tests“ zu konzipieren – und hoffe, dass mir das gelingt. 😉

Also ein dickes „Danke schön“ an alle, die ihre Erfahrungen mit fotografischem Equipment zusammenschreiben und anderen zur Verfügung stellen. Weiter so!

So und nun überlege ich mir, wo und was ich als nächstes fotografieren kann. Auf echten Fotos und ganz ohne Testchart. 😉

8 Gedanken zu “„Test“, „Review“ und wie sie alle heißen…

  1. Rainer

    C H A P E A U, da spricht mir jemand voll aus der Seele! Ein Wiener Fotoprofessor hatte einmal zu seinen Studenten gesagt, „Schauns net auf die Gravuur, mochens endlich a Build!

      1. Rainer

        Deine späte Einsicht, ehrt dich aber ungemein! Bei dem ganzen Getöse und Schaumschlägerei, wer den besten Sensor, Objektiv, AF bzw. Stabi hat, geht doch das Eigentliche, die sinnliche Fotografie doch heute völlig über die Wupper!

  2. Habe den Text um eine Anmerkung ergänzt, denn eine kleine Einschränkung muss ich machen: wenn man solch eine “Testreihe” mit einem oder zwei Freunden zusammen durchführt, ist das äußerst spaßig, weil dann das Zusammensein im Vordergrund steht. 🙂

    1. Rainer

      Dagegen ist ja wirklich nichts einzuwenden, aber bei den meisten „Tests“ geht es doch nur um den Kommerz und das Geldverdienen! Außerdem, kann man vom Test z.B. eines einzigen Objektivs etc., ja auch nicht auf die ganze Serie schließen! Aber das will man, oder kann man nicht kapieren!

  3. marc champollion

    Nur eins darf man nie vergessen: wenn man ein Objektiv mit einem kleineren Format kombiniert, als das, wofür es gerechnet worden ist, verliert man an Schärfe genau im selben Verhältnis wie der sog. crop-faktor.
    Benutzt man also das legendäre Apo Macro Elmarit, das bei 50% Kontrast eine Trennschärfe von 2400 Lp/Bh hat, dann schrumpft dieser Wert bei MFT auf die Hälfte. 1200 ist zwar immer noch gut, jedoch erreichen diesen Wert viele heutigen Objektive, sogar Zooms.
    marc C.

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