… eines Retrokamera-Freaks. 😉
Kürzlich erreichte mich ein Paket, von dem ich nicht wusste, dass es an mich unterwegs war. Sowas passiert mir äußerst selten, wo ich doch mindestens stündlich den Sendungsverlauf von Paketen an mich online überprüfe und mich dann so herrlich über diesen nicht immer funktionierenden Service echauffieren kann. 😉
Nun ja, in jenem mysteriösen Paket war eine mindestens ebenso mysteriöse aber wunderschöne Kamera:
Das Gehäuse ist von einer Contessa Nettel, der Compur-Verschluss von Kodak und das Objektiv ein Schneider-Kreuznach Xenar 4.5/135. In den 20er Jahren des 20 Jahrhunderts stellte solch eine Kombination eine ziemlich hochklassige Kamera dar.
Wunderbar ist auch, dass der Verschluss noch funktionert, die Blende sauber schließt (und öffnet) und der Balgen dicht ist. Solch eine Kamera nur in die Vitrine zu stellen, wäre eine überaus bedauerliche Entscheidung. Dummerweise fotografiert diese Kamera nicht auf Rollfilm, sondern auf ein Großformat-Negativ. Fokussiert wird über eine Mattscheibe, die mitsamt klappbarem Lichttuch nach oben herausgeschoben werden kann und so Platz macht für die Negativkassette. Die Mattscheibe dieser Kamera ist allerdings beinahe blind und daher kaum noch zu gebrauchen und eine passende Einschubkassette habe ich auch nicht – dafür aber hin und wieder witzige Ideen.
„Warum mache ich aus dieser Kamera nicht eine Digitalkamera?“, dachte ich mir und da man die Mattscheibe herausschieben kann, könnte dies absolut non-destruktiv geschehen. Ich schnitt aus einer in der Dicke passenden, schwarzen Pappe ein Rechteck der richtigen Größe aus und dort hinein – in gerader Verlängerung der Objektivmittelachse – ein Loch. Hinter dieses Loch klebte ich dann eine c-mount-µ4/3-Adapter. Von hinten sieht das nun so aus:
An das nach hinten offene Bajonett kann man nun eine kompakte µ4/3-Kamera klicken:
Wenn man nun die zusätzliche Distanz zum Aufnahmemedium (der Sensor liegt ja nicht auf der gleichen Ebene wie die Mattscheibe bzw. der Film liegen würde) durch ein Zusammenschieben des Balgens kompensiert, erreicht man damit sogar eine Unendlichkeits-Einstellung.
Da das Objektiv eine Brennweite von 135mm hat, entspricht es am µ4/3-Sensor einem 270mm-Objektiv. (Ja, das ist in der Tat so. Es ist unerheblich, für welches Format es ursprünglich gerechnet wurde und ob es für dieses eigentliche Format ein „Normalobjektiv“ ist). Man fotografiert an der kleinen Lumix also mit einem recht ordentlichen Tele. Aber, sofern man es vom Stativ aus nutzt, funktioniert es.
Der Kontrast ist natürlich eher schwach ausgeprägt. Das lässt sich aber per EBV gut ausgleichen. Die Kernschärfe ist gut, auch wenn so manche Aberration zu erkennen ist. Hier ein paar Bildbeispiele vom Wochenende:
Ich bin gespannt drauf, damit einmal ein paar Portraits zu machen.
Natürlich ist diese Konstruktion nichts für den „schnellen Schuss“, es ist aber ein hervorragender Konversationsstarter. Kaum hat man diese Kamera aufgebaut, kommen auch schon die ersten Interessenten und fragen, was das denn sei und wie das denn funktioniere. So erhält die Fotografiererei einen sozialen Aspekt. Und was, wenn nicht nette Gespräche, bereichern einen Tag?
In diesem Sinne, noch einen schönen Sonntagabend!
Du Kompromiss-Freak 🙂
Sowas nutzt man mit Film!
Weißte denn jetzt, wer der Absender ist?
Ja, schon. Aber noch nicht, warum ich es bekommen habe. 😉
Film? Ja, wäre klasse. Aber da bräuchte ich noch eine passende Kassette und eine neue Mattscheibe.
Da hattest Du eine interessante Idee, mit diesem Oldtimer Fotos zu erstellen.
Danke für den Bericht
Mit freundlichem Gruß
Jens
Stark! Bringt mich natürlich auf Ideen mit meinem Faltenbag-Bestand dummes Zeug zu veranstalten…..
LG
Michael
So, und nun hat sich auch geklärt, warum ich diese Kamera erhalten habe. Vor einigen Wochen (das hatte ich schon wieder vergessen) habe ich einem Freund in Irland versprochen, ihm bei einem Kauf zu helfen. Der Verkäufer wollte nicht ins Ausland versenden, also suchte Dave einen Weg, die Kamera dennoch zu bekommen. Natürlich bot ich ihm an als eine Art „relay“ zu dienen.
Dummerweise hat sich das Ganze dann so lange hingezogen, dass ich mich nicht mehr daran erinnerte. Erst jetzt kam alles ans Licht.
Also die Kamera wird demnächst in Irland ihr neues Zuhause finden. 😉
Hallo,
die Kamera ist ziemlich wild zusammengefügt.
Zur Zeit als es noch Contessa-Nettel Bodys gab (bis 1926, dann Fusion zu Zeiss Ikon), gab es diesen Typ des Deckel Compur noch nicht, erst ab ca 1930.
Und Nettel sowieso nie Kodak gelabelte Verschlüsse verwendet. Obwohl der Gründer der Contessa und des Kodak Kamerawerks mit Dr. Nagel dieselbe Person war.
Da Kodak und Zeiss Konkurrenten waren anfang der 30er, würde ich auch eher ein Schneider Xenar statt einem Tessar in dem Verschluss erwarten (ist ja leicht auszutauschen, alles kompatibel), aber auszuschliessen wäre das Tessar nicht, da es später auch ganz selten Retinas mit Tessar gibt (die von Hillary auf dem Mt Everest war so eine!)
Wenn du eine neue Cam für deinen Adapter suchst, ein Tipp sind die Zeiss ikon Maximar, sehr gut gebaut mit Metallbody und oft mit dem Tessar zu finden.
Besten Dank für den interessanten Kommentar!