In letzter Zeit haben mich ein paar Fotofreunde gefragt, welche Objektive ich für ein kompaktes Reise-Set empfehlen würde, um leicht unterwegs aber dennoch vielseitig aufgestellt zu sein.
Das lässt sich natürlich nicht generell beantworten. Es kommt darauf an, welche Fotomotive man bevorzugt und an welcher Kamera diese Objektiv nutzen möchte. Ich kann also nur aus einer sehr persönlichen Sicht heraus etwas empfehlen. Das möchte ich hier nun machen.
Bereich „Superweitwinkel“
Für mich sind solche Fotos sehr spannend, aber immer auch eine Herausforderung. Man muss sich selbst die Frage stellen, ob man Aufnahmen mit einem Bildwinkel von über 90° machen möchte. Da geht schon so einiges auf’s Bild, meist sogar zu viel, um noch eine gelungene Komposition hinzubekommen. Wer das möchte, der muss sich entscheiden, ob er mit einer baukleineren Festbrennweite (z.B. einem 2.8/14 oder einem 3.5/17) fotografiert und damit womöglich etwas weniger an Verzeichnung in Kauf nehmen muss sowie etwas mehr Lichtstärke erhält (was ich bei Superweitwinkeln nur selten wichtig finde) oder ob er lieber ein flexibleres Zoom-Objektiv mitnimmt. Denn die neuen Superweitwinkel-Zooms leiden gar nicht mehr so arg an Verzeichnung, dafür gibt es auch Festbrennweiten, bei denen man so einiges an (mehrfach) gebogenen Linien am PC herausrechnen lassen muss.
Meine Empfehlung wäre es daher, zu einem Zoom-Objektiv zu greifen. Denn mit meinem Sigma EX 12-24 bin ich äußerst zufrieden und die Bilder, die ich bisher vom Zeiss 4.0/16-35 für Sony Alpha sah, zeigen auch, dass man davon völlig begeistert sein kann. Da diese Objektive aber i.d.R. relativ groß und schwer sind, muss man sich wirklich überlegen, ob man eines mitnimmt.
Bereich „starker Weitwinkel“
Wer kein Superweitwinkel braucht, dem würde ich eher zu einem 24mm als zu einem 28mm raten. Denn mit einem 24er kann man durchaus einen deutlichen Weitwinkel-Effekt erzielen, den man manchmal einfach in einem Bild haben möchte. Mit einem 28er ist das schon schwieriger. Ein 2.8/24 (KB) ist hier für mich ein ideales Objektiv. Es ist kompakt, lichtstark und vielseitig einsetzbar.
Bereich „moderater Weitwinkel“
Eventuell kann man das 24er durch ein noch etwas lichtstärkeres 2.0/35 ergänzen. Ich habe Freunde, die schwören auf ihr „35er“. Ich mag die Brennweite auch, habe aber (noch) gar kein so supertolles Exemplar. Mir reicht bisher am Kleinbild (Nikon Df) das MIR-24N 2.0/35 und an APS-C zum Beispiel ein Tamron 2.5/24. Wer aber ein 24er einpackt und auch auf ein 50er nicht verzichten möchte, der kann womöglich sein 35er einfach auch mal zuhause lassen.
Bereich „Normalbrennweite“
Ein 50er am Kleinbild oder ein 28er bzw. 35er am APS-Sensor – das ist meine Welt. Ohne „50er“ würde ich wohl nicht auf eine Reise gehen. Diese Teile sind kompakt, sehr lichtstark und bieten meist eine sehr gute Abbildungsleistung. Höchstens eines von zehn 50mm-Objektiven, unter allen, die ich testen durfte, entsprach nicht ganz meinen Erwartungen. Ich bin der Meinung ein 50er (das kann auch ein 45er oder ein 55er sein) gehört einfach in jede Fototasche. Es muss nicht einmal ein f/1.4er sein, ein 1.8/50 reicht in den meisten Fällen auch. Oft sind diese f/1.8er auch kleiner, günstiger aber keineswegs schlechter. Bei den AF-Nikkoren würde ich sogar explizit gegen das 1.4/50 und für das 1.8/50 stimmen. Das 1.4er Nikkor ist nicht schlecht aber auch nicht besser als sein lichtschwächerer Bruder. Für meine Fujis ist das 1.4/35 (~ 50mm KB) zum Beispiel meine Lieblingslinse.
Bereich „Portraittele“
Der Name sagt schon aus, ob man solch ein 85-105mm Objektiv einpacken sollte. Wer gerne Menschen fotografiert, der sollte es nicht zuhause lassen. Diese „kurzen“ Teles sind oft angenehm lichtstark (f/2.8 bis hinunter zu f/1.4!) und dennoch kompakt genug, um nicht schwer aufzutragen. Ich bevorzuge Portraitteles mit maximalen Öfnungen von f/1.8 oder f/2.0, denn das ist ein gelungener Kompromiss aus Baugröße, Gewicht, Lichtstärke und Abbildungsleistung. Mein absoluter Favorit ist das schon ältere, manuell zu fokussierende Nikkor-H 1.8/85.
Wer gelegentlich Makros aufnehmen möchte, kann zu einem 90er oder 105er Makro-Objektiv greifen und beide Bereiche miteinander kombinieren.
Bereich „Tele“
Ob man mehr als ein Portraittele braucht, muss man wieder für sich selbst entscheiden. Ich benötige es meistens nicht und habe daher auch nur selten eines auf Reisen dabei. Sicher, wer in einen Tierpark oder gar auf Safari fährt, für den kann das Tele gar nicht „lang“ genug sein. Ich hingegen habe meistens mein auf Nikon umgebautes Leica Elmar-R 4/180 dabei, weil es kaum größer und schwerer ist als ein ordentliches 2.8/135 und doch noch einen Ticken mehr an Heranholung (Gibt es das Wort? Nein, gell?) bietet.
Sollte ich doch Tiere aufnehmen wollen, dann kommt mein Sigma 80-400 OS mit. Das reicht.
So, da stehen wir also da und haben in der Tasche für die Kleinbildkamera…
- ein 2.8/24
- ein 1.8/50
- ein 1.8/85 oder ein 2.8/105
- und ein 4/180
Für eine APS-Kamera wären das beispielsweise ein 16er, ein 28/35er, ein 55er und ein 120er. Mit diesen vier Objektiven kommt man m.E. sehr gut in einem Urlaub zurecht, sie passen in eine ziemlich kleine Fototasche und sind so leicht, dass man sie auch einen ganzen Tag herumtragen kann. Und nicht aus Zufall erinnert diese „Shortlist“ an das klassische Prinzip der „Brennweitenverdopplung„, bei dem Objektive immer so zusammengestellt werden, dass eines in etwa die doppelte Brennweite des vorherigen hat.
Ich finde auch, dass man, wenn man sich ein wenig „einschränkt“, mehr zum Fotografieren kommt. (Ja, ja, das sagt einer, der sich nie entscheiden kann, was er denn nun mitnehmen soll und meist dann doch wieder viel mehr einpackt als er überhaupt nutzen kann. Das liegt aber daran, dass ich eigentlich nur im Urlaub die Zeit habe, endlich mal das auszuprobieren, was ich schon immer mal ausprobieren wollte. Und das ist wiederum eine gaaanz andere Geschichte.)
Man kann das natürlich „auf die Spitze treiben“ und sich auf zwei oder gar nur ein Objektiv beschränken, doch da kann es bei ausschließlich Festbrennweiten dann doch zu Situationen kommen, in denen man sich einen anderen Bildwinkel gewünscht hätte.
Manch einer nimmt auch einfach ein 28-200 (18-135 APS) oder ein 24-120 (15-85 APS) Zoom. Wer auf Lichtstärke verzichten kann, für den mag das eine gute Reise-Lösung sein – vor allem aber dann, wenn man das Superzoom durch ein 1.8/50 ergänzt. 😉
In diesem Sinn, viel Spaß beim Fototaschen-Packen und auf der nächsten Reise!
Mein Reiseset ist entweder eine Sony RX10 mit 24-200mm. 2.8 oder sogar nur die Sony RX100 III mit ihrem 24-70 1.8-2.8. Was aus den beiden Kameras an Bildqualität raus kommt reicht gut und gerne für Wanddrucke bis zu 100cm breite. Mehr will ich im Urlaub nicht tragen. Immer im Urlaub ist aber auf jeden Fall ein Stativ, denn das kann kein Objektiv ersetzen.
Absolut, Jörg. Wenn man sieht, was für eine Qualität aus der kleinen Sony und der „Bridge“-Sony herauskommt, dann kann ich dich verstehen. Und die Sensoren dieser Kompaktkameras sind sogar groß genug, um freizustellen – vor allem mit dem Tele der RX10.
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